Die Erschaffung von Chimären, also Wesen, die halb Mensch, halb Tier sind, bewegt die Gemüter der Menschheit seit Jahrhunderten. Schon die alten Griechen waren fasziniert von der Vorstellung zumeist furchteinflößender tierischer Mischwesen. In seiner „Illias“ beschreibt der bekannte Dichter Homer eine Chimäre – hierher stammt auch der heutige Name – als feuerspeiendes Mischwesen aus Löwe, Ziege und Drache. Auch das berühmteste Mischwesen aus Mensch und Tier entstammt der griechischen Mythologie: der auf Kreta hausende Minotaurus, halb Mensch, halb Stier, dessen Leibspeise der Sage zufolge Kinder griechischer Adliger waren. Der Stiermensch galt als Kind der Pasiphae, der Frau des kretischen Königs Minos, und einem dem König von Poseidon geschickten Stier. Nachdem Minos nicht wie abgesprochen den Stier dem Poseidon opferte, rächte sich der Gott: Er brachte die Frau des Königs dazu, den Taurus zu begehren.
Der erste bekannte Versuch in der Praxis ereignete sich dagegen vor rund 100 Jahren. 1928 versuchte der russische Biologe Ilya Iwanow in Afrika, Schimpansenweibchen mit menschlichem Sperma zu befruchten. Der Versuch schlug fehl, doch dann versuchte es der Wissenschaftler mit menschlichen Frauen und Spermien von Orang-Utans. Unterstützung fand Iwanow bei der bolschewistischen Regierung, die in den Versuchen nicht nur ein wissenschaftliches Prestigeprojekt erblickte, das einmalig in der Welt gewesen wäre, sondern zugleich auch die Möglichkeit, die eigene atheistische Staatslinie zu stützen, derzufolge die Schöpfung, selbst die neuer Arten, ohne göttlichen Eingriff möglich war. Dass Stalin in den neuen Mensch-Affen-Mischwesen auch den idealen Arbeiter für das Sowjetreich sah, ist indes nicht erwiesen, wenn auch nicht auszuschließen angesichts der völligen Auflösung humaner und ethischer Standards im Russland dieser Epoche. Nicht nur in Russland, sondern auch in Frankreich bestand Interesse an derlei Forschungen. Hier war es der bekannte Biologe Louis Pasteur, ein Anhänger des Sozialismus, der nicht nur für seine Methode der Haltbarmachung von Lebensmitteln, sondern auch für seinen glühenden Deutschenhass bekannt ist, der die Experimente ausdrücklich begrüßte. Das Ergebnis der letzten Experimente Iwanows blieb jedoch geheim – bis heute.
In Zeiten der rasant fortschreitenden Gentechnik ist die Erschaffung von Chimären seit einigen Jahren wieder in das Blickfeld der Forschung gelangt. 2021 berichtete ein internationales Forscherteam in einer Ausgabe des Fachmagazins „Cell“ davon, Embryonen gezüchtet zu haben, die aus menschlichen Zellen und jenen von Affen bestehen. Die Gruppe um Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla (US-Bundesstaat Kalifornien) injizierte dazu jeweils 25 menschliche Stammzellen in sechs Tage alte Makakenembryonen im Frühstadium, sogenannten Blastozysten. Anschließend wurde die Entwicklung der Embryonen für rund 20 Tage im Labor untersucht. Tatsächlich entwickelten sich die Makakenblastozysten anfangs nur wenig langsamer als Makakenembryonen ohne menschliche Zellen, nach zehn Tagen waren 29 von 132 Embryonen abgestorben. Danach sank die Zahl der lebensfähigen Embryonen schneller. Am Ende der Studie – am Tag 19 nach der Befruchtung – lebten noch drei. Viel wichtiger aber: In vielen der Embryonen hatten sich die menschlichen Zellen erfolgreich vermehrt. Die Nähe der Arten könnte also tatsächlich zu besseren Ergebnissen geführt haben. Zudem wiesen die Experimente darauf hin, dass auch weitergehende Versuche bis hin zur Geburt von Mischwesen wenigstens möglich erscheinen. „Wir müssen beginnen, über diese Möglichkeit nachzudenken“, lautete das Fazit der Forscher.
Von „Gottmenschen“ und „Tschandalen“
Anderen Forschern zufolge, wurde schon vor langer Zeit die Zeugung von Chimären nicht nur als Gedankenspiel betrachtet, sondern auch in die Tat umgesetzt. Das zumindest behauptet eine Reihe von Forschern, die innerhalb der Paleo-Seti-Bewegung aktiv sind. Aber nicht nur diese glauben an vorzeitliche Mensch-Mischwesen, sondern auch ein Autor, der für gewöhnlich in anderen Themenbereichen verortet wird: Jörg Lanz von Liebenfels. Der 1874 geborene ehemalige Zisterzienser-Mönch hatte sein diesbezügliches Erweckungserlebnis in der Zisterzienser-Abtei Heiligkreuz. Auf einer Grabplatte eines Ritters Bertold von Treun erkannte er, dass der ebenfalls dargestellte verstorbene Ritter auf ein Geschöpf zu seinen Füßen deutete: ein affenähnliches Wesen, das für Lanz nicht ein normales Tier darstellte, sondern ein Mischwesen – eine Chimäre. Laut Lanz mahnte der Ritter als Vertreter der blonden Menschen, das „Minderrassige“ und Böse niederzuringen. Aus dem Orden ausgetreten, entwickelte Lanz seine Theozoologie-Theorie, derzufolge der – hellhäutige – Gottmensch durch Vermischung mit Affenwesen seine Reinheit verlor. Lanz zufolge entstanden durch diese Mischungen die dunkelhäutigen Menschenrassen, die von ihm so genannten „Tschandalen“. Diese unzweifelhaft rassistische Theorie wäre wohl keiner weiteren Befassung wert, wenn ihr Verfasser nicht zeitlebens auf der Suche nach Beweisen gewesen wäre, die seine These stützten: Mischwesen, nicht nur aus Mensch und Affe, sondern auch aus anderen Arten des Tierreiches. So war Lanz davon überzeugt, dass einst Walküren, Greifen und geflügelte Issuri-Vormenschen gelebt haben, die Eier legten. In seinem dritten Ariomantischen Brief von 1933 behauptet Lanz, dass Spuren dieser zweibeinigen Ungeheuer von einer „amerikanischen Expedition in der Wüste Gobi entdeckt worden“ seien. „Meine These von den eierlegenden Vormenschen“, so Lanz in seinem Brief, „die mir vor 30 Jahren so viel Hohn einbrachte, ist also eine Tatsache, und nicht ich, sondern die Schulwissenschaftler, die mich verspottet oder totgeschwiegen haben, sind jetzt die Blamierten und wissenschaftlich Erledigten und haben als Nichtswisser aus ihren reichdotierten und monopolisierten Staatsstellungen zu verschwinden“.
Diese geflügelten „Hominiden“-Arten waren Lanz zufolge die Vorbilder für die Walküren der germanischen Sagen, die Engel der Bibel, die Greifenmenschen, Adlermenschen und Vogelmenschen der verschiedenen Mythen. Doch nicht nur das: Diese Wesen waren, wie Lanz aus alten Berichten erschließen zu können glaubte, „elektrisch organisiert. Sie besaßen einen bio-elektrischen Empfangs- und bioelektrischen Sendeapparat. Sie sandten Heil- und Todesstrahlen aus, sie konnten Riesenlasten heben, sie konnten mit ihren Strahlen Materie auslösen, dematerialisieren, entkörpern und in andere Materie umwandeln, transmutieren oder wie die Theologen sagen: ‚schöpfen‘ und ‚erschaffen‘. Sie konnten sich auch selbst jederzeit entkörpern, dematerialisieren: ‚verschwinden‘ und umgekehrt, sich jederzeit wieder verkörpern, materialisieren: ‚erscheinen‘. Sie konnten, wie wir heute im Radio, in die Weite sehen und hören ohne jegliche Drahtverbindung. Sie waren also allwissend. Sie konnten sich und andere Materie schaffen oder verschwinden lassen, sie waren also allmächtig, sie konnten sich, da sie sich jederzeit dematerialisieren konnten, sofort an jeden beliebigen Ort begeben und dort materialisieren, sie waren also allgegenwärtig. Da sie sich jederzeit entkörpern und verkörpern konnten, so waren sie eigentlich unsterblich. Sie waren also das, was wir ‚Gott‘ nennen. Deswegen gab ich diesen Wesen den Namen ‚Theozoa‘ oder ‚Elektrozoa‘.“
Überraschenderweise, zumindest aus heutiger Sicht, traf das Gedankengut des Lanz damals auf einen Nerv der Zeit. Zu den Unterstützern des kauzigen Ex-Mönches zählten bei weitem nicht nur einfache Zeitgenossen, sondern zahlreiche Angehörige der damaligen Eliten, darunter der Wiener Industrielle Johann Wölfl, der den bereits um 1900 gegründeten Neutempler-Orden (ONT) des Lanz von Liebenfels finanziell massiv unterstützte. Für seinen einige hundert Personen umfassenden Freundeskreis erstellte der Autor und Ordensgründer Lanz regelmäßige Mitteilungen in Form „Ariomantischer Briefe“ an „seine Freunde“. Die Veröffentlichung und der Druck der zwischen 1930 und 1935 erschienenen Briefe erfolgte wechselnd im Deutschen Reich, in Österreich, in der neutralen Schweiz und in Ungarn. Die in den kleinen, meist um 16 Seiten umfassenden Schriften behandelten Themen befassen sich aber nicht nur mit Vorzeitwesen, sondern auch mit Ernährung und Lebensreform, christlicher Mystik und vorchristlichen Kultorten wie Vineta-Rethra. Darüber hinaus finden sich hier aber auch groteske Ideen und Vorschläge zur Staatsverbesserung: zum Beispiel eine „Wettbewerblotterie“, zum „Geld- und Reichtumserwerb durch den Arier“. Preise sollten unter anderem für „das schönste Kleid“ vergeben werden.
„The Guardian“ berichtet über Mensch-Schimpanse-Mischling
Wer angesichts der teils skurril anmutenden Gedanken den Begründer der Ariosophie als Spinner abtut, sollte allerdings nicht zu vorschnell urteilen. Im September 2019 brachte die englische Zeitung „The Guardian“ einen Artikel, der ein Thema aufgriff, das den 1954 verstorbenen Lanz vermutlich sehr interessiert hätte: Die Existenz eines 12-jährigen Jungen aus Angola, der als erster offizieller Nachkomme einer schwarzen Frau und eines Schimpansenmännchens gilt. Die Mutter, Anita Dembo, hatte einige Jahre in einem Park für Schimpansen gearbeitet und einen Schimpansen als Vater bezeichnet. Medizinische Untersuchungen sollen die Angaben der Frau bestätigt haben. „Sexuelle Beziehungen zwischen Menschen und Schimpansen sind in dieser Region weit verbreitet“, lautete der überraschende Kommentar des mit dem Fall betrauten angolanischen Arztes Dr. Antonio Mendes, jedoch, so der Mediziner weiter, sei dies „der erste bekannte Fall einer (erfolgreichen) Schwangerschaft“. Während die wissenschaftliche Fachwelt skeptisch auf die Meldung reagierte, bezeichnete Angolas Präsident Joao Laurenco den Jungen als „Nationalschatz“ und „Gotteszeichen“.
Erstveröffentlichung in N.S. Heute #42
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