Besprechungen #30: Hajo Herrmann – Als die Jagd zuende war

Das hier zu rezensierende Buch erschien erstmals 1988 im Münchener Universitas Verlag, besprochen wird die 8. erweiterte Auflage aus dem Jahr 2003. Vier Jahre nach der Veröffentlichung seiner Kriegserinnerungen „Bewegtes Leben“ legte der Luftwaffen-Oberst Hans-Joachim „Hajo“ Herrmann mit den Erinnerungen an seine sowjetische Kriegsgefangenschaft nach, denen er den Titel „Als die Jagd zuende war“ gab. Oberst Herrmann (1913-2010) war einer der erfolgreichsten Jagd- und Kampfflieger des Zweiten Weltkriegs, hochdekoriert mit dem Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern – eine Auszeichnung, die insgesamt nur 159-mal verliehen wurde. Zudem war er Erfinder des Nachtjagd-Verfahrens „Wilde Sau“ und Initiator des auch als „Rammjäger“ bekannten „Sonderkommandos Elbe“.

Aus „Pflichterfüllung und Kameradschaftstreue“, wie es im Umschlagtext des Buches heißt, ging Oberst Herrmann bei Kriegsende das höchste Wagnis ein, das nur möglich war: Da ihm von den Russen (fälschlich) versprochen worden war, seine gefangenen Untergebenen würden im Tausch gegen ihn freigelassen werden, flog er am 11. Mai 1945 freiwillig mit einer Fieseler-Storch nach Budapest in die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Dies war für Herrmann der Beginn einer mehr als zehnjährigen Odyssee, währenddessen er in mehr als einem Dutzend Kriegsgefangenlagern und Gefängnissen inhaftiert war, von Moskau bis Swerdlowsk hinterm Ural, von Budapest bis Odessa am Schwarzen Meer – in der Anfangszeit zudem immer mit der quälenden Ungewissheit, jederzeit willkürlich erschossen werden zu können, wie es in den Nachkriegsjahren mit tausenden Offizieren und Generälen geschah, die zur Befriedigung des bolschewistischen Mordtriebes sinnlos dahingemordet wurden.

Mit einer großen Portion Glück überlebte Herrmann – obwohl er den Sowjets nicht nur wegen seines Bekanntheitsgrades, sondern auch wegen seines aufmüpfigen Verhaltens stets ein Dorn im Auge war. Zwei gescheiterte Fluchtversuche, beharrliches Festhalten an seinen Prinzipien während der Vernehmungen durch die berüchtigten Sowjetkommissare und die hartnäckigen Weigerungen, die von seinen Bewachern geforderte Arbeitsnorm zu erfüllen, bezahlte der Luftwaffen-Oberst mit verschiedenen Verurteilungen russischer Militärgerichte zu insgesamt 60 Jahren Arbeitslager. Nach handstreichartigen Verurteilungen galten die inhaftierten Deutschen plötzlich nicht mehr als „Kriegsgefangene“, sondern als „Kriegsverbrecher“ – eine Bezeichnung, gegen die sich der Autor während und auch nach seiner Gefangenschaft immer auf das Schärfste verwahrt hat. Doch Herrmann berichtet in seinem Buch, das ohne jegliche Rachegelüste und übertriebenen Pathos geschrieben ist, nicht nur von den vielen Schmähungen, Gemeinheiten, Demütigungen und Gewalttätigkeiten, denen er in der Gefangenschaft ausgesetzt war, sondern auch von den kleinen Freuden und Ablenkungen vom grauen Lageralltag, beispielsweise, wenn er von anregenden Unterhaltungen mit deutschen und russischen Mitgefangenen erzählt, von dem ersten Paket aus der Heimat oder von den kleinen Listigkeiten und Streichen, die er seinen Bewachern immer wieder gespielt hat.  

Als einer der letzten Heimkehrer traf Hajo Herrmann nach über zehnjähriger Gefangenschaft am 12. Oktober 1955 im damaligen Grenzbahnhof Herleshausen in Hessen ein: „Herleshausen! Du kleiner, nie gekannter Ort, Anfang eines neuen Lebens! Nach zehn grauen Jahren in der Fremde plötzlich bunte Märchentrachten wie auf hell erstrahlender Bühne, jubelnde Chöre und feierliche Schritte! (…) Leise summt der Motor, die Reifen rauschen unter mir. Wie ein Choral fassen und tragen mich die Stimmen. Wie soll ich danken? Ich habe sechs Jahre an allen Fronten gekämpft. Wunden machten mich trotzig, die Orden stolz. Ich habe zehn Jahre in der Unfreiheit gelebt und versucht, Schwäche und Bosheit zu widerstehen. Ich verlernte Rührung und Tränen. Ich hebe die Blumen an mein Gesicht.“

Das Buch ist aktuell nicht als Neuware erhältlich und nur antiquarisch zu bekommen.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #19

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