Besprechungen #56: Hanns Johst – Schlageter

Im Glauben an Deutschland

Zum 10. Todestag von Albert Leo Schlageter veröffentlichte Hanns Johst 1933 sein gleichnamiges Schauspiel in vier Akten beim Albert Langen / Georg Müller-Verlag in München. Erstmals zum Geburtstag des Reichskanzlers Adolf Hitler am 20. April 1933 in Berlin uraufgeführt und dort bereits unter tosendem Applaus und Ovationen gefeiert, begann somit der Sieges- und Erfolgszug des Dramas. Das Schauspiel entwickelte sich fortan zum erfolgreichsten Bühnenstück von Hanns Johst, was eventuell auch dazu beitrug, dass „Schlageter“ neben anderen Werken des Schriftstellers nach dem Krieg auf der Liste der auszusondernden Literatur landete. Interessanterweise soll das Drama aufgrund der latent antifranzösischen Haltung des Werkes bereits Mitte/Ende der 1930er-Jahre aufgrund von außenpolitischen Erwägungen zeitweise auf dem Index gestanden haben. Damit ist „Schlageter“ wohl eines der ganz wenigen Werke, das sowohl in der NS-Zeit als auch in der Nachkriegszeit vorübergehend zur unerwünschten Literatur gehörte. – Doch nun zum Inhalt:

Wir schreiben das Jahr 1923. Der junge Albert Leo Schlageter wird von einem „alten“ Kriegskameraden zu den Inhalten ihres Studiums der Nationalökonomie befragt. Während sich besagter Kamerad Friedrich Thiemann sichtlich gelangweilt über jene Inhalte zeigt und lieber politischen Aktivismus gegen die französischen Besetzer des Ruhrgebiets fordert, mahnt Schlageter zur Ruhe. Zwischen den beiden entfacht sich eine lebhafte Diskussion, die zunächst durch das Eintreffen der Schwester Thiemanns, Alexandra, unterbrochen wird. Das Streitgespräch endet schließlich damit, dass Thiemann aktiv werden will, Schlageter jedoch den ersehnten Frieden vorzieht.

In weiteren Gesprächen und Versuchen, die Wirren dieser dramatischen Zeit mit Argumenten für etwaige Handlungen zu füllen, geht Schlageter auch auf die Kameradschaft der Kriegsteilnehmer und deren Haltung untereinander ein, die in der neuen Republik nun als Fremdkörper wahrgenommen wird. Dabei wird auch die opportunistische Politik der Regierung der Weimarer Republik beschrieben. Schlageter jedenfalls zieht nach seinen Freikorps-Schlachten im Baltikum zunächst den Frieden vor anstatt blinde Aktionen gegen die französischen Besatzer im Ruhrgebiet verüben zu wollen.

Hanns Johst
© Bundesarchiv, Bild 183-2007-1010-501 / CC-BY-SA 3.0

An dieser Stelle sei der geschichtliche Aspekt angemerkt, dass die Weimarer Regierung nach dem Ersten Weltkrieg die Freikorps zwar einerseits zu zerschlagen versuchte, andererseits ließ man sie jedoch gegen innere und äußere Feinde (wie zum Beispiel im Falle Schlageters bei den Kämpfen im Baltikum) gewähren. Doch Dankbarkeit ist in der Politik oftmals ohne Bedeutung, und so verhielten sich die Regierenden schließlich wieder opportunistisch, als die Franzosen unter dem Schein nicht getätigter „vertraglicher Lieferungen“ seitens Deutschlands in das Ruhrgebiet einmarschierten. Die gewaltsame Besetzung sollte fortlaufend Widerstandsaktionen aus der Bevölkerung hervorrufen, während die Regierung zum „passiven Widerstand“ aufrief, indem beispielsweise die Befehle der Besatzer nicht befolgt werden sollten. Die zahlreichen französischen Verbrechen und die deutschen Opfer, denen nicht selten feige in den Rücken geschossen wurde, sind mir großem Daten- und Faktenmaterial belegt. Doch nun weiter mit der Handlung des Schauspiels:

So will nun der eher wortkarge und in sich gekehrte Schlageter auf eigene Faust die Haltung der Staatsführung erkunden und trifft sich insgeheim mit einem General „X“. Schnell wird deutlich, dass dieser General zwar die Aktionen gegen die Franzosen billigt, als Teil des Systems allerdings nicht selbst aktiv werden kann oder will. Enttäuscht, aber entschlossen kehrt Schlageter, der seine auf Frieden bedachte Haltung aufgegeben hat, zu seinen Kameraden zurück und beginnt sofort, mit ihnen Pläne zu schmieden und Sprengaktionen zu besprechen. Gleichzeitig zwingt der Major der Reserve (M.d.R.) Willi Klemm den Regierungspräsidenten Schneider dazu, dessen Sohn August, einen Kameraden Schlageters, zwecks Informationsbeschaffung auf Schlageter anzusetzen. Den beiden jungen Kameraden ist das Vaterland sowie die Kameradschaft untereinander jedoch wichtiger, sodass der Versuch, August als Verräter zu infiltrieren, scheitert. Nun stehen die ersten konkreten Aktionen kurz bevor…

Hanns Johst ist mit dem Schauspiel „Schlageter“ trotz erstaunlicher Nüchternheit in Wort und Emotion ein durchaus hervorzuhebendes dramatisches Werk gelungen. Die eher sachlichen denn emotionalen Dialoge passen ausgezeichnet dazu, die Absurditäten des Verhaltens der Regierung sowie allgemeine Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten der damaligen Zeit deutlich zu machen. Dies betrifft zum einen das Verhältnis zwischen den Kriegsheimkehrern zur übrigen Bevölkerung, oder auch das Verhältnis zwischen Staat und Volk beziehungsweise zwischen Staat und Frontsoldaten. Diesen großen Wust aus Angst, Unwissenheit, Opportunismus, Aktionismus, dem Gefühl ausgestoßen zu sein, Hoffnung, aber auch Hoffnungslosigkeit verständlich zu machen, gelingt dem Autor mit erstaunlicher Raffinesse und mit so klaren Formulierungen, dass wohl jeder Volksgenosse und jeder einfache Landser der damaligen Zeit die Handlung nachvollziehen konnte. 

Natürlich darf auch eine Liebesgeschichte in diesem Schauspiel nicht fehlen, obgleich diese nur sehr oberflächlich zum Vorschein tritt. Alles in allem liest sich dieses Drama sehr gut, obgleich manche Aspekte gut und gerne noch ausführlicher hätten dargestellt werden können, beispielsweise fehlt aus Sicht des Rezensenten eine Darstellung der Sprengaktionen, auch der berühmte Abschiedsbrief Schlageters hätte noch in die Handlung eingebaut werden können. Auf der anderen Seite ist natürlich zu bedenken, dass das Stück wohl ausschließlich für die Bühne geschrieben wurde und nicht als „ausschweifende(re)s“ Lesestück konzipiert ist.

Der einzige Wehrmutstropfen – aus heutiger Sicht – ist der Preis, den der Liebhaber für ein gut erhaltenes Exemplar bezahlen muss. Wenn man jedoch die Augen im Internet etwas offenhält, findet man es dennoch hin und wieder zu einem annehmbaren Preis. Wer also die Möglichkeit hat, das Drama in Textversion zu lesen und wer sich für die Person Schlageters und die Ereignisse um ihn herum interessiert, dem sei versichert, dass er beim Lesen dieses Schauspiels nicht enttäuscht wird.

Alexandra: […] Sie glauben an Deutschland wie an einen Gott! Aber ob Sie Gegenliebe finden?

Schlageter: Als ob eine Passion je danach fragen würde! […] (S. 38)

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Erstveröffentlichung in N.S. Heute #35

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1 Gedanke zu „Besprechungen #56: Hanns Johst – Schlageter“

  1. Angeblich stammt doch auch der Ausspruch: „Wenn ich Kultur höre, entsichere ich meinen Browning“ aus diesem Werk. Falls das zutreffen sollte, würde mich interessieren, in welchem Zusammenhang das dort vorkommt. Kann mir da jemand weiterhelfen?

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