„Wir müssen zuerst säen, um ernten zu können“ – Im Gespräch mit Michael Brück über sein neues Buch

N.S. Heute: Hallo Michael! Vor wenigen Wochen erschien Dein erstes Buch „Kampf um Dortmund – Vier Jahrzehnte Widerstand“. Was war Deine Motivation, dieses Buch zu schreiben?

Michael: Seid gegrüßt! Ich hatte schon öfter überlegt, ob ich nicht auch einmal ein Buch schreiben sollte, aber irgendwie hatte ich kein Thema gefunden, bei dem ich wirklich überzeugt war, dass ausgerechnet dieses Buch von mir einen politischen Mehrwert bieten würde. Deshalb habe ich diesen Plan lange Zeit nicht näher verfolgt.

Nachdem jedoch in den letzten Jahren immer mehr Kameraden aus Dortmund verzogen oder – wie zum Beispiel Siegfried Borchardt – verstorben sind, habe ich festgestellt, dass die Erinnerung an eines der spannendsten Kapitel der nationalen Rechten zu verblassen droht. Denn die politische Struktur, die sich seit Anfang der 1980er-Jahre in Dortmund gebildet hat und von Generation zu Generation weitergegeben wurde, ist in Deutschland einmalig. Und was alles dahinterstand und steht, ist eigentlich der Öffentlichkeit, aber auch den Leuten aus unserem politischen Beritt, weitestgehend verborgen geblieben – von schlecht recherchierten „Enthüllungsartikeln“ und zusammenhanglosen Erzählungen von Aussteigern abgesehen.

Mein Anspruch war es, die nationale Rechte Dortmunds als politische Einmaligkeit begreifbar zu machen. Aber darüber hinaus natürlich auch ein Buch zu liefern, das für die heutige Zeit einen Mehrwert bietet. Ob zum Umgang mit staatlichen Repressionen, kritische Gedankengänge zur Anschlussfähigkeit der eigenen Arbeit, Erfahrungen aus der Realisierung politischer Wohnprojekte oder die „richtige“ Verwendung von Parteien als Werkzeug – all diese Themen sind nicht nur geschichtlich interessant, sondern können auch für das gesamte nationale oder patriotische Milieu wichtige Impulse für die Gegenwart geben.

Durch verschiedene TV-Beiträge waren die Dorstfelder „Nazi Kiez“-Graffiti deutschlandweit bekannt – 2019 wurden sie auf Anweisung demokratischer Spielverderber entfernt

N.S. Heute: Was ist denn so „einmalig“ an der Struktur der nationalen Rechten in Dortmund? Worin unterscheidet sie sich zu nationalistischen Gruppierungen in anderen Städten?

Michael: In den letzten Jahrzehnten, insbesondere in den Hochphasen des Nationalen Widerstandes, gab es deutschlandweit unzählige Gruppierungen. Meist wirkten sie jedoch nur für wenige Jahre. Teils lösten sich Gruppen irgendwann auf, nicht selten auch durch den Rückzug einzelner Hauptakteure, teils wurden sie verboten. Die Dortmunder Besonderheit ist die Kontinuität, mit der seit nunmehr über 40 Jahren Strukturen aufeinander aufbauen. Ganz egal, wie gerade die aktuelle Organisation heißt, die Zusammenhänge dahinter sind personell miteinander verflochten. Eine solch langfristig gewachsene Widerstands-Szene gibt es in ganz Deutschland nicht. Wahrscheinlich haben die meisten mitteldeutschen Städte quantitativ eine viel höhere Zahl an Nationalisten und Patrioten, doch diese Bündelung der Kräfte und ihre Einbindung in politisch arbeitende, feste Strukturen, die in Dortmund aus der Not entstanden ist, in einer westdeutschen Großstadt Widerstand leisten zu müssen, bleibt von ihrer Art einmalig.

Und auch das, was in all dieser Zeit in Dortmund geschehen ist, sucht seinesgleichen: Mord und Totschlag, Straßenschlachten mit dem politischen Gegner, Organisationsverbote, Festnahmen und Hausdurchsuchungen, szeneinterne Grabenkämpfe – die Bewegungsgeschichte der nationalen Rechten wurde zu einem großen Teil auch in Dortmund geschrieben.

N.S. Heute: Die Geschichte der nationalen Bewegung in Dortmund verlief nicht linear, sondern zyklisch – vor allem bedingt durch diverse Partei- und Organisationsverbote. In welche Abschnitte lassen sich die letzten vier Jahrzehnte am besten einteilen?

Michael: Mehr oder weniger ungewollt, nahm die nationale Rechte in Dortmund ihren Ursprung 1982 in der Gründung der Hooligan-Gruppe „Borussenfront“. Es folgte in den 80ern ein turbulentes Jahrzehnt, das vor allem durch die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) geprägt war, parallel gab es weitere Bewegungsstrukturen um das KAH, das „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“.

Nach dem Verbot der FAP und einem allgemeinen (kurzzeitigen) Niedergang im nationalen Lager Anfang/Mitte der 90er, gab es ab Anfang der 2000er durch die „Kameradschaft Dortmund“ neuen Schwung und auch deutlich gesteigerte Demonstrationsaktivitäten auf der Straße. Ab Mitte der 2000er setzte sich das Phänomen der „Autonomen Nationalisten“ durch, die den Widerstand in Dortmund organisatorisch auf eine neue Stufe hoben und auch die Öffentlichkeitswirkung stark professionalisierten – in dieser Zeit fanden auch die teilnehmerstärksten Demonstrationen statt.

Nach dem Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO) im Jahr 2012 gab es mit dem Eintritt in DIE RECHTE das Comeback der Parteien. Aus der Not heraus geboren, gab es zunächst einen Aufschwung, der mit dem Stadtratseinzug 2014 gekrönt wurde. Nachdem DIE RECHTE bundesweit an Bedeutung verlor, wurde Anfang 2023 mit dem Eintritt zahlreicher Akteure in Die HEIMAT ein neues Kapitel der Dortmunder Bewegungsgeschichte aufgeschlagen.

Ein schwarz-weiß-rotes Fahnenmeer: „Europa erwache!“-Demonstration im April 2018 in der Dortmunder Innenstadt

N.S. Heute: Du selbst bist als 18-Jähriger im Jahr 2008 nach Dortmund gezogen, in einer Hochphase des parteifreien Aktivismus und der Autonomen Nationalisten. Doch die Anfänge des organisierten Nationalismus in Dortmund reichen ja noch viel weiter zurück. Wie bist Du an die ganzen Informationen über die Entwicklungen gekommen, die sich vor Deinem Umzug nach Dortmund abgespielt haben?

Michael: Eine Besonderheit der Dortmunder „Szene“ lag stets in der Einbindung früherer politischer Generationen. Als ich nach Dortmund gezogen bin, habe ich natürlich viele Geschichten aus früheren Jahren gehört. Teils relativ sorgfältig erzählt und auch durch Internetrecherchen nachprüfbar, gerade aus der jüngeren Vergangenheit um die 2000er-herum, aber häufig auch zusammenhanglos und nur schwer nachzuvollziehen.

Bei meinen Recherchen habe ich mich deshalb vor allem an zuverlässige Kameraden gehalten, die Ereignisse strukturiert wiedergeben können. Teilweise wurde mir auch Recherchematerial zur Verfügung gestellt, zum Beispiel alte Presseartikel oder Gerichtsakten. Hilfreich waren auch diverse Antifa-Publikationen aus den letzten Jahrzehnten, denn die dortige Darstellung mancher Ereignisse weicht zwar deutlich von den mir vorliegenden Informationen ab, doch gerade für die zeitliche Einordnung waren solche Berichte nützlich. Vor allem hat mir aber geholfen, dass ich ein sehr gutes Gedächtnis habe (zumindest bei solchen Dingen), dadurch konnte ich sehr viele Informationen abrufen und verarbeiten, die ich in Dortmund in all den Jahren irgendwo in meinem Kopf beiläufig gespeichert hatte.

N.S. Heute: Du hast in dem Buch viele spannende, interessante und mitunter auch kuriose Geschichten zu erzählen. Gibt es für Dich bei diesen ganzen Ereignissen denn auch ein persönliches „Highlight“, das Dir ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Michael: Ach, da sind so viele verrückte Dinge passiert, da wüsste ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber es gibt nicht das eine Ereignis, was bei mir besonders hängengeblieben ist – was wahrscheinlich auch daran liegt, dass wir in manchen Monaten mehr erlebt haben als andere in ihrem ganzen Leben. Klar, es gab beeindruckende Großdemonstrationen und auch ein paar richtig schöne Krawalldemos, zum Beispiel die Sponti am 1. Mai 2009. Der politische Mehrwert hielt sich rückblickend in Grenzen, aber natürlich hat sowas wahnsinnig viel Spaß gemacht, gerade als junger Mensch – genau wie die ein oder andere Straßenschlacht mit dem politischen Gegner.

Insgesamt denke ich, dass die Zeit zwischen 2009 und 2011 die schönste in Dortmund war. Wir hatten gerade mit der Rheinischen Straße 135 unser eigenes Zentrum eingeweiht und mit den „Antikriegstags-Aktionswochen“ rechten Aktivismus damals auf eine neue Ebene gehoben – da waren übrigens viele Leute in Dortmund bei, die heute bundesweit in patriotischen Organisationen Führungsrollen innehaben, also es hat sich wirklich das fähige Potential gebündelt, das es damals gab. Und wir haben uns einfach keinen Kopf gemacht, sondern frei heraus das getan, was wir für richtig erachtet haben.

Eine beispielhafte Geschichte aus dieser Zeit fällt mir da doch noch ein, die fehlt leider aus Platzgründen im Buch, weil es auch so schon dick genug geworden ist. Im Juli 2010 hatten wir eine Flugblatt-Aktion an den Katharinentreppen, gegenüber vom Dortmunder Hauptbahnhof. Wir verteilten damals Flugblätter für eine bevorstehende Antikriegstags-Demo, insgesamt dürften wir so 15 Kameraden gewesen sein. Obwohl die Aktion nicht öffentlich beworben worden war, hatte die Antifa, die damals wieder ein bisschen im Aufwärtsgang war, davon mitbekommen und einen Überfall geplant. Plötzlich kamen also etwa 20 bis 30 Vermummte um die Ecke, die anfingen, kleinere Pflastersteine auf uns zu werfen. Nur: Das war halt unsere Sturm- und Drang-Phase, wir hatten uns, obwohl es nur eine Flugblatt-Aktion war, auf alles vorbereitet. Und innerhalb von ein paar Sekunden stürmten wir Flugblatt-Verteiler, die alle etwas weiter auseinander standen, wie bei Asterix und Obelix in Richtung der Linken. Angeführt von Matthias Deyda, der eine Taucherbrille zum Schutz gegen Pfefferspray trug (ein Bild für die Götter, mitten in der Innenstadt!) und Christoph Drewer, der zwei schwere Backsteine, die irgendwo neben der Sparkasse auf einer Baustelle standen, in den Händen hatte. Nun ja, die Antifa ergriff natürlich sofort die Flucht, wobei die langsamsten Genossen noch ihren gewünschten Körperkontakt bekamen. Die ganze Situation hat insgesamt vielleicht eine Minute gedauert, und nachdem die Antifa geflüchtet war (an dem Tag sahen wir sie nicht wieder), haben wir wieder Aufstellung genommen und ganz normal weiter Flugblätter verteilt, als wäre nichts gewesen. Die Polizei, die irgendwann mit einem Großaufgebot eintraf, wirkte recht irritiert, denn sie war von Passanten alarmiert worden, die Jagdszenen und eine Massenschlägerei in der Innenstadt gemeldet hatten. – Ach, was waren das für lustige Zeiten!

Dorstfeld bleibt stabil!

N.S. Heute: Eine Kontinuität von über 40 Jahren, zumal in einer westdeutschen Großstadt und trotz diverser Partei- und Organisationsverbote, ist in der Tat deutschlandweit einmalig. Was können andere nationale und patriotische Gruppierungen von den Dortmunder Strukturen lernen?

Michael: Die Geschichte der nationalen Rechten in Dortmund zeigt, wie wichtig politische Kontinuität ist und wie wenig staatliche Maßnahmen ausrichten können, wenn Menschen nicht nach ein paar Repressionen die Flinte ins Korn werfen, sondern beharrlich ihre Sache weiter durchziehen. Im Endeffekt ist es auch die Geschichte eines nunmehr vier Jahrzehnte dauernden Kampfes gegen staatliche Repressionen, der in dieser Form wohl ebenso einmalig ist. Auf der anderen Seite ist die Entwicklung in Dortmund aber auch ein Beispiel, dass regelmäßige Erneuerungen notwendig sind, da sich ansonsten eine gewisse Betriebsblindheit einstellt und politisch irgendwann der Anschluss verpasst wird – in einer solchen Phase habe ich schließlich auch meinen Entschluss gefasst, wegzuziehen, da für mich keine mittelfristige Perspektive mehr erkennbar war. Deshalb: Immer alles hinterfragen und neue Dinge ausprobieren! Beispielsweise hat in Dortmund Anfang der 2000er die Entscheidung, Autonome Nationalisten nicht zu verdrängen, sondern deren Entwicklung zu fördern, seinerzeit einen riesigen Aufschwung gebracht. Stillstand ist Rückschritt, auch wenn es manchmal unbequem ist, die ausgetretenen Pfade zu verlassen.

N.S. Heute: Du bist im Herbst 2020 von Dortmund nach Chemnitz gezogen und unterstützt dort die 2021 gegründete Sammlungsbewegung der FREIEN SACHSEN. In welcher Hinsicht unterscheidet sich die politische und gesellschaftliche Gesamtsituation, in der Nationalisten und Patrioten in Sachsen wirken können, von den Gegebenheiten in NRW?

Michael: Selbst die AfD findet in Dortmund kaum Anschluss, sie hat bei der letzten Kommunalwahl gerade einmal 5 % geholt (jetzt sind es natürlich aktuell ein paar Prozente mehr, aber das ist meines Ermessens eine Momentaufnahme), wir mit DIE RECHTE etwas über 1 %. Das zeigt relativ gut, wie wenig anschlussfähig patriotische oder nationale Positionen in der Gesamtbevölkerung sind. Aus dieser Bevölkerung dann auch noch aktivistisches Potential zu rekrutieren, das beispielsweise Demonstrationen besucht oder auch nur an internen Veranstaltungen teilnimmt, ist schwierig. Somit kommen rechte Strukturen in Westdeutschland kaum aus der Defensive heraus und können nur sehr selten Druck aufbauen. Meist gelingt dies nur temporär bei einzelnen Ereignissen, deren Wirkung aber schnell verpufft.

In Mitteldeutschland, speziell in Sachsen und Thüringen, hat sich das gesellschaftliche Klima seit der Annektierung der DDR durch die Bundesrepublik immer weiter nach rechts verschoben. Die Skinheads der 90er-Jahre sind heute erfolgreiche Unternehmer und Väter gerade volljährig gewordener Kinder, die Früchte der NPD aus den 2000er-Jahren haben den Nährboden für die Erfolge der AfD bereitet – und die durch den Aufstieg der AfD bereits erwirkte Verschiebung des Meinungskorridors lassen noch weiter rechts stehende Positionen massenkompatibel werden. Sprich: Der Boden ist so fruchtbar wie nie zuvor in der Bundesrepublik. Noch müssen wir, sprich nationale und patriotische Organisationen, auf diesem Boden aber weiter säen, um irgendwann zu ernten.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #40

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