Revolution statt Restauration – Anmerkungen zu Martin Sellner

In diesem Beitrag werde ich darlegen, warum ich Martin Sellner für einen „alten neuen Rechten“ halte. Seine strikte Differenzierung zwischen einer „alten“ und einer „neuen“ Rechten ist genauso überholt wie sein sturer Abgrenzungskurs gegen alle Erscheinungsformen, die er dem „altrechten“ Lager zuordnen will. Die Realität spricht längst eine andere Sprache.

Von „alten“ und „neuen“ Rechten

In der N.S. Heute-Ausgabe #37 besprach ich das aktuelle Buch von Martin Sellner „Regime Change von rechts – Eine strategische Skizze“. Die Ausführungen des österreichischen IB-Aktivisten in dem Unterkapitel „Die alte Rechte“ (S. 56-59) verdienen eine genauere Betrachtung und fordern zu einer Erwiderung heraus. Das Unterkapitel umfasst zwar nur knapp 4 von insgesamt 300 Buchseiten, allerdings ziehen sich seine „Warnungen“ vor der „alten Rechten“ durch das gesamte Buch. Deshalb ist es an der Zeit, seine Thesen und Narrative genauer unter die Lupe zu nehmen.

Bevor das geschieht, wollen wir uns zunächst dem diffamierenden Begriff der „alten Rechten“ entledigen. Ursprünglich sagte die Zuschreibung als „altrechts“ oder „neurechts“ gar nichts darüber aus, ob jemand eher „radikal“ oder eher „gemäßigt“ dachte. Als „alte Rechte“ galten diejenigen, die sich ausschließlich oder zu einem großen Teil mit der Richtigstellung zeitgeschichtlicher Ereignisse befassten, während die „neuen Rechten“ diejenigen waren, die sich mehr auf die Gegenwart und die Zukunft fokussierten. Das allein sagte aber noch nichts darüber aus, ob jemand nationalsozialistisch dachte oder nicht. So gibt es auch heute noch genügend „gemäßigte“ Nationalkonservative, die sich gerne mit Themen wie dem Versailler Vertrag oder mit der Schuldfrage des Zweiten Weltkrieges beschäftigen, während viele, vor allem junge „radikale“ Nationalsozialisten davon gar nichts wissen wollen und lieber Lösungen hören wollen, wie wir Millionen illegale Einwanderer zurück in ihre Heimatländer führen können.

Frank Kraemer gab in einer Audioanalyse zu diesem Thema einige Beispiele dafür, dass sich auch manche „neue“ Rechte gerne mit „altrechten“ Themen beschäftigen. Auf dem (mittlerweile von YouTube zensierten) „Kanal Schnellroda“ des „neurechten“ Verlegers Götz Kubitschek diskutierten zum Beispiel Maximilian Krah (mittlerweile AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl) und der Historiker Stefan Scheil über das Thema „1941 – Präventivkrieg oder Überfall?“. Altrechter geht es ja schon gar nicht mehr!

Sellner benutzt das Narrativ der „alten Rechten“ jedenfalls in einer diffamierenden Weise. Niemand gebraucht diesen negativ konnotierten Begriff als Selbstbezeichnung. Deshalb wollen wir uns an dieser Stelle dieses Begriffes entledigen und zutreffender von „Nationalisten“ sprechen. Das Spektrum des deutschen Nationalismus umfasst nicht nur (Neo-)Nationalsozialisten aus dem aktivistisch orientierten Nationalen Widerstand, sondern auch Nationalrevolutionäre, Nationaldemokraten und andere völkische Strömungen, die Sellner alle unter dem Begriff „altrechts“ subsumieren will.

Der falsche Vorwurf der Restauration

Sellner beschreibt den deutschen Nationalismus als eine „politische Szene und Subkultur, bestehend aus Parteien, Einzelpersonen, Bewegungen, Medien und sonstigen Akteuren, die implizit oder explizit in der Tradition des historischen Nationalsozialismus stehen“. Dieser Szene gehe es vor allem „um die Rehabilitierung und Restaurierung des historischen NS“. Zunächst einmal fällt auf, dass Sellner überhaupt keine Unterscheidung zwischen dem historischen Nationalsozialismus der Jahre 1920-45 und gegenwärtigen nationalsozialistischen Strömungen des Jahres 2023 vornimmt. Jede Weltanschauung, sofern sie nicht im Laufe der Zeit mangels Anhängern untergeht, entwickelt sich schließlich weiter. Das gilt für den Nationalsozialismus genauso wie für jede andere politische Orientierung auch. Gehen wir einmal von der theoretischen Annahme aus, die NSDAP wäre im Jahr 2023 in Deutschland eine legale Wahlpartei, so wäre es vollkommen fernliegend, dass eine solche Partei heute noch das 25-Punkte-Programm aus dem Jahre 1920 eins zu eins vertreten würde.

Das öffentliche Tragen von Braunhemden in den 70er- und 80er-Jahren durch eine neue Generation von Nationalsozialisten war noch aus der damaligen Zeit heraus zu erklären: Die NS-Zeit war gerade einmal 30, 40 Jahre her, viele Kameraden aus der Erlebnisgeneration standen damals noch mitten im politischen Kampf und hatten direkten Einfluss auf die jungen Aktivisten. Die 1995 verbotene FAP war die letzte bundesweit agierende Organisation, die noch öffentlich das Braunhemd getragen hat. Zwar erlebte das Braunhemd einige Jahre später nochmal ein „Revival“ durch den Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS), doch das konnte nur noch als Nostalgie bezeichnet werden.

Mit dem Sterben der letzten Zeitzeugen wird die NS-Zeit endgültig zu einem Mythos werden. Doch warum sollten wir nicht einige Elemente aus der damaligen Zeit aktiv in diese Mythenbildung einbeziehen? Man denke nur daran, was der heldenhafte Kampf der deutschen Wehrmacht heute noch auf sehr viele Nationalisten für einen Eindruck macht, was sich zum Beispiel im nationalen Musikbereich oder bei nationalen Modemarken widerspiegelt. Doch es ist eben Mythos, es ist Geschichte und hat mit heutiger Tagespolitik nichts mehr zu tun.

Daher ist auch der Vorwurf einer „Restaurierung“ des historischen Nationalsozialismus falsch. Der deutsche Nationalismus hat Antworten auf alle Fragen, die Menschen in der heutigen Zeit bewegen. Er bietet Lösungsvorschläge und Konzepte für die Krisen der Gegenwart und eine Vision für einen zukünftigen deutschen Volksstaat im Geiste der Volksgemeinschaft. Es geht nicht um Restauration, sondern um Revolution!

Martin Sellner ist der bekannteste Protagonist der „Identitären Bewegung“ im deutschsprachigen Raum – Kritiker wie Frank Kraemer und Sascha Krolzig meinen, dass er sich mit seinen Spaltereien gegen Nationalisten verrannt hat
(Bildquelle: Martin Sellner Telegramelite)

Es geht nicht um Subkultur, sondern um Gegenkultur

Das nationalistische Lager, so Sellner weiter, sei primär subkulturell ausgeprägt. Als Beispiel nennt er Musik, Mode, Rituale und ähnliche Elemente. Dem ist zu entgegnen, dass die einzige echte Subkultur, die das nationalistische Lager über längere Zeit geprägt hat, nämlich die Skinhead-Subkultur, mittlerweile kaum noch vorhanden ist. Einige ältere Kameraden führen den Skinhead-Kult zwar noch weiter, doch es gelingt ihnen kaum noch, jungen Nachwuchs für ihre Subkultur zu begeistern.

Der von Sellner angeführte Punkt, der organisierte Nationalismus wolle ein „starkes exklusives Gruppengefühl“ aufbauen, trifft in gewisser Weise zu. Natürlich wollen wir uns von der Mehrheitsgesellschaft und ihren destruktiven Elementen abgrenzen; natürlich wollen wir eine nationale Gegenkultur aufbauen und unseren Landsleuten unsere grundsätzlich andere Lebenseinstellung vermitteln! Das bedeutet allerdings nicht, dass wir uns wie eine Sekte abschotten wollen, sondern wir gehen mit unseren Vorstellungen, unseren Werten und unserer Art zu leben ja gerade an die Öffentlichkeit und laden jeden gutwilligen Deutschen dazu ein, sich uns anzuschließen. Auch hierin unterscheiden sich Nationalisten nicht großartig von anderen Rechten, schließlich will das „neurechte“ Lager genauso eine Gegenkultur schaffen und ein positives Gruppengefühl bei ihren Anhängern aufbauen.

Die falsche Doktrin vom Hauptziel

Sellner schreibt in „Regime Change von rechts“, dass er nicht näher auf die weltanschaulichen Unterschiede zwischen Nationalisten und Neurechten eingehen will. Das ist eigentlich schade, denn eine objektive Aufstellung der Unterschiede (und der Gemeinsamkeiten!) hätte einen echten Gewinn gebracht. Stattdessen behauptet Sellner, ohne irgendwelche Belege dafür anzuführen, das Hauptziel des deutschen Nationalismus sei die „Rehabilitierung des historischen NS, seiner Vertreter, Begriffe und Symbole“. Demgegenüber hätte vor allem die „Neue Rechte“ als Hauptziel den „Erhalt der ethnokulturellen Identität“ auserkoren. Weiter heißt es: „Anders als mit alternativen Hauptzielen konservativer, libertärer und sozialistischer Strömungen ist mit dem altrechten Hauptziel keine Kooperation möglich.“

Diese Doktrin ergibt allerdings nur so lange Sinn, wie die falsche Behauptung über das angebliche nationalistische Hauptziel aufrechterhalten wird. Natürlich geht es auch heutigen Nationalsozialisten und anderen Nationalisten in allererster Linie um den Erhalt des deutschen Volkes. Politische Detailfragen sind diesem Hauptziel genauso unterzuordnen wie Gedankenspiele darüber, ob man später wieder gewisse Zeichen öffentlich zeigen kann oder ob antideutsche Geschichtslügen richtiggestellt werden. Wenn die Zeit reif ist, wird der Schuldkult genauso fallen wie jedes andere Lügengebäude der Globalisten auch. Doch darum können wir uns immer noch kümmern, wenn das Hauptziel – der Erhalt der deutschen Volkes in einem souveränen deutschen Volksstaat – erreicht ist.

Warum finden deutsche Jugendliche denn heute den Weg in die nationale Bewegung? Weil sie auf dem Schulhof und in ihrer Nachbarschaft zur Minderheit im eigenen Land werden, weil sie vom Regime jeden Tag mit widerwärtiger Regenbogen-Propaganda und hysterischen Klima-Spinnereien terrorisiert werden, weil sie sich nach einer natürlichen, traditionellen und starken Gemeinschaft sehnen, weil sie wieder frei und ohne Angst als Deutsche in Deutschland leben wollen – und nicht, weil sie das Dritte Reich restaurieren wollen! Fällt Sellners falsche Doktrin über das angebliche „altrechte Hauptziel“, dann sind auch alle weiteren Schlussfolgerungen hieraus obsolet.

„Altrechts“ und „neurechts“ sind überholte Denkschablonen

Die strikte Trennung, die Sellner zwischen dem nationalistischen und dem neurechten Lager vornehmen will, existiert in der Realität schon lange nicht mehr, wenn sie überhaupt jemals so bestanden hat. Schauen wir uns als Beispiel einmal das Compact-Magazin an: Keine Frage, aus nationalistischer Sicht gäbe es einiges an der politischen Linie und der Themenauswahl des Magazins zu kritisieren, aber darum geht es an dieser Stelle nicht. Compact beschäftigt Mitarbeiter, die der „Heimat“ angehören, verkauft Bücher aus nationalistischen Verlagen, bewirbt den Goldenen Löwen von Tommy Frenck und den Gedenkmarsch in Dresden, lädt Sebastian Schmidtke zum Survival-Seminar ein, und der Chefredakteur Jürgen Elsässer tritt bei der Gesellschaft für freie Publizistik auf. Andererseits geben hochrangige AfD-Funktionäre dem Magazin Interviews und treten bei Compact-Veranstaltungen auf – und nicht zuletzt gehört auch Martin Sellner selbst zu den regelmäßigen Autoren des Magazins. Trägt das nationalistische oder das neurechte Spektrum aus dieser „Scharnierfunktion“ irgendeinen Schaden? Ganz und gar nicht!

Weitere Beispiele für solche „Scharnierfunktionen“ zwischen „Gemäßigten“ und „Radikalen“ sind zum Beispiel die Freien Sachsen, der Jungeuropa-Verlag, die Deutsche Stimme, das Musiklabel Neuer Deutscher Standard und natürlich auch die vielen, vielen Bürgerproteste in Mitteldeutschland, wo sämtliche Spektren des patriotischen Lagers zusammenkommen, ohne dass irgendein Teilnehmer zuvor beweisen muss, dass er mit seinem Anti-Asyl-Protest nicht in Wirklichkeit die Restaurierung des Dritten Reiches fördern will.

Bei der oben genannten Aufzählung handelt es sich natürlich nur um die öffentlich bekannten Querverbindungen. Auf privater Ebene bestehen darüber hinaus noch ganz andere Bekanntschaften und Netzwerke, über die wir an dieser Stelle natürlich nicht aus dem Nähkästchen plaudern wollen. Aber ich denke, auch so ist deutlich genug geworden, dass eine strikte Spaltung zwischen nationalistischen und neurechten Strömungen längst nicht mehr gegeben ist und eine konstruktive Zusammenarbeit teils offen, teils privat stattfindet.

Ja zur Verteidigung der eigenen Position, Nein zu sinnlosen Spaltereien

Auf der anderen Seite soll das natürlich nicht heißen, dass es deswegen ständig zu irgendwelchen Verbrüderungen oder sogar Verschmelzungen kommen muss. Die Vertreter der verschiedenen Spektren können und sollen durchaus ihr Profil schärfen. Dazu gehört auch, sich inhaltlich von anderen Positionen zu distanzieren, wenn man das für angebracht hält. Natürlich können wir Nationalisten dafür Verständnis aufbringen, wenn zum Beispiel ein AfD-Funktionär nicht mit allzu radikalen Kräften in einen Topf geworfen werden will; genauso wie authentische Nationalisten sich inhaltlich von gewissen neoliberalen Auswüchsen und „auch-rechten“ Halbheiten fernhalten sollten.

Seine eigene Position zu verteidigen und dabei souverän zu entscheiden, „mit wem man zusammenarbeitet und mit wem nicht“, wie Sellner es selbst in seinem Buch schreibt, ist vollkommen legitim. Doch den Angehörigen des anderen Spektrums deshalb als Gegner wahrzunehmen, der „bekämpft“ werden müsse, wie Sellner es wörtlich an anderer Stelle schreibt, ist kleingeistig und lenkt den Fokus vom eigentlichen Gegner ab. Im Grunde gehört Sellner mit seinen Positionen einer „alten neuen Rechten“ an, von der sich die junge Generation der „Neurechten“ nichts mehr vorschreiben lässt – und das ist auch gut so.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #38

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