“100 Jahre Marsch auf Rom” (Teil 2/5): Der Marsch auf Rom – Die zweite Oktoberrevolution des 20. Jahrhunderts

Mussolinis Arbeitszimmer in der Redaktion des „Il Popolo d‘Italia“

Zum 100. Jahrestag der faschistischen Machtübernahme Benito Mussolinis durch den “Marsch auf Rom” am 27. Oktober 1922 veröffentlichen wir eine fünfteilige Serie über den italienischen Faschismus.

Hier klicken, um Teil 1 zu lesen: Fiume 1919/20 – Der Urknall der faschistischen Epoche in Europa

Nach dem Ersten Weltkrieg ging das blutgierige Gespenst der bolschewistischen Revolution auch in Italien um. Die unfähige liberale Regierung, die sich zudem noch von den anderen Entente-Mächten über den Tisch ziehen ließ, kümmerte sich nicht um die Kriegsheimkehrer. Es gab keine Sozialpläne zur Wiedereingliederung der Veteranen ins Arbeitsleben. Streiks und Fabrikbesetzungen machten die Runde. Nach sowjetrussischem Vorbild wurden „Rote Garden“ aufgebaut. Auf dem Land kam es zu Besetzungen von Grundbesitz durch sozialistisch und kommunistisch organisierte Landarbeiter.

Am 23. März 1919, also vor 100 Jahren, gründete Mussolini die „Fasci di Combattimento“ (Faschistische Kampfbünde) in einem Salon an der Piazza Santo Sepolcro Nr. 9 in Mailand. Das Programm der Fasci war national und sozial:

Italiener!

Dies ist das nationale Programm einer durch und durch italienischen Bewegung. Es ist revolutionär, weil es anti-dogmatisch und anti-demagogisch ist; es ist ein Programm der Erneuerung, weil es sich gegen alle Vorurteile wendet. Wir stellen die Vollendung des revolutionären Krieges über alles und über alle. Die anderen Probleme, nämlich die Fragen der Verwaltung, der Rechtsprechung, Erziehung, der Kolonien usw. werden wir umreißen, wenn wir die neue führende Klasse geschaffen haben werden.

Daher fordern wir im Hinblick auf die politischen Probleme:

  1. Allgemeines Wahlrecht auf Grund regionaler Listen und mit proportionaler Vertretung, Wahlrecht und Wählbarkeit der Frauen.
  2. Herabsetzung des Mindestalters für die Wähler auf 18 Jahre, für die Abgeordneten auf 25 Jahre.
  3. Abschaffung des Senats.
  4. Einberufung einer Nationalversammlung auf die Dauer von drei Jahren, deren erste Aufgabe die Beschlussfassung über die Staatsform sein wird.
  5. Bildung von technischen Räten der Arbeit, der Industrie, der Sozialhygiene, des Transport- und Verkehrswesens usw. auf nationaler Ebene, die von den Berufsgenossenschaften gewählt werden und gesetzgebende Gewalt sowie das Recht erhalten sollen, einen Generalkommissar mit der Machtvollkommenheit eines Ministers zu wählen.

Im Hinblick auf das soziale Problem:

  1. die sofortige Verkündung eines Staatsgesetzes, das für alle Arbeiter den Achtstundentag garantiert.
  2. Mindestlöhne.
  3. Teilnahme der Arbeitervertretung am technischen Vollzug der industriellen Produktion.
  4. Überführung von Industrien und öffentlichen Diensten in die Verfügungsgewalt proletarischer Organisationen (welche die erforderliche moralische und technische Reife erreicht haben).
  5. Die schnelle und vollständige Übernahme der Eisenbahnen und aller Transportindustrien in den Staatsdienst.
  6. Änderungen des Gesetzesentwurfes über die Unfall- und Altersversicherung, Herabsetzung der Altersgrenze von 65 auf 55 Jahre.

Im Hinblick auf das militärische Problem:

  1. Einrichtung einer nationalen Miliz, mit kurzen Ausbildungszeiten und zu ausschließlich defensiven Zwecken.
  2. Die Verstaatlichung aller Waffen- und Munitionsfabriken.
  3. Eine nationale Außenpolitik mit dem Ziel, die Stellung der italienischen Nation in der Welt durch friedlichen, zivilisatorischen Wettbewerb zu heben.

Im Hinblick auf die finanziellen Probleme:

  1. Eine starke, außerordentliche und progressive Kapitalsteuer, die den Charakter einer partiellen Enteignung aller Reichtümer tragen muss.
  2. Die Konfiszierung aller Ordensgüter und die Abschaffung der Bischofssitze, welche eine ungeheure Last für die Nation und ein Privileg für wenige sind.
  3. Die Überprüfung aller Verträge über Lieferung von Kriegsmaterial und die Konfiszierung von 85 Prozent alles Kriegsgewinne.

Italiener!

Der italienische Faschismus will in seinem neuen nationalen Leben weiterhin den Geist der Vollendung bringen, der sich in der großen Prüfung des Krieges gebildet hat, er will – in der Form einer Anti-Partei oder einer Über-Partei – die Italiener aller Überzeugungen und produktiven Klassen geeint halten, um sie zu jenen unvermeidlichen Schlachten zu führen, die zur Vollendung des großen revolutionären Krieges geschlagen werden müssen. Die Fasci di Combattimento wollen, dass die vollbrachten Opfer den Italienern im internationalen Leben diejenige Stellung geben, die der Sieg ihnen zugewiesen hat. Zu diesem großen Werk müssen sich alle in die italienischen „Fasci di Combattimento“ einordnen.

Eine florentinische Squadra

Begründung einer neuen Epoche der Weltgeschichte

Die Gründer der ersten Stunde bekamen später, angelehnt an den Kundgebungsort Piazza Santo Sepolcro, den Ehrennamen „Sansepolcristi“. Der Faschismus, der später auf andere Länder, insbesondere auf Deutschland ausstrahlen sollte, begründete genauso eine neue Epoche in der Geschichte Europas und der Welt, wie der Bolschewismus Sowjetrusslands. In Italien entstand eine Bewegung ganz neuen Typs, die durch den Zustrom ehemaliger Frontkämpfer, besonders der elitären Arditi, den ehemaligen Sturmtruppen der Armee, militärisch geprägt war. Am besten drückt sich dies auf dem Foto von Mussolinis Arbeitszimmer in der Redaktion des „Il Popolo d‘Italia“ aus, auch „il covo“ (die Höhle) genannt. Hinter seinem Schreibtisch hing an der Wand das Banner der Arditi mit Totenkopf und Dolch, auf seinem Schreibtisch wiederum lagen Revolver und Handgranaten. Der Frontgeist prägte die faschistische Bewegung. Diese Bewegung war eine Alternative zur Monarchie und zum überkommenen Parlamentarismus, genauso war sie eine Gegenbewegung zu der aus Sowjetrussland hereindrängenden, bolschewistischen Strömung. Dies sollte später noch deutlicher zu Tage treten, als die Stunde des Squadrismus schlagen sollte.

So schrieb Roberto Farinacci (Generalsekretär der Partei von 1925-26) im ersten Band seines dreibändigen Werkes „Die Faschistische Revolution“ treffend: „Millionen von Menschen hatten die Prüfung bestanden, dem Tod ohne Angst und Verzweiflung ins Auge geschaut zu haben. Die Männer des Krieges pflegten wenig Worte zu machen. Sie waren gewohnt, Widerstände, Hindernisse, Unentschlossenheit und Angst zu verachten, jedes Problem mit Mut und Schwung und sogar ohne Rücksicht auf Tod und Leben in Angriff zu nehmen. Alle ihre Energien und Tugenden waren gestählt. Enttäuschungen und Bitterkeiten, Friedenswille und Kampfgewohnheit wirkten jetzt zusammen zu einer tiefen Erkenntnis der Unzulänglichkeit der Politiker und der parlamentarischen Methoden. So wuchs ihre Verachtung für das alte Regime, und so gärte in ihnen der unerschütterliche Wille zur Neuschöpfung.“

Squadristen während einer Strafexpedition, faschistische Propagandapostkarte

Die Faschistische Bewegung hatte von vorneweg einen einzigen geballten, unerschütterlichen Willen – die Übernahme der staatlichen Macht! Am 15. April 1919 überfielen Arditi das Gebäude der sozialistischen Zeitung „Avanti“ in Mailand und setzten es in Brand. Bereits am 9. Oktober 1919 zählten die Fasci bei ihrem 1. Kongress in Florenz 17.000 Kampfbündler. Die Wahlen am 16. November 1919 wurden für die Faschisten jedoch zu einem Misserfolg, die Liste bekam in Mailand gerade einmal 4.795 Stimmen. Doch bald nach diesem Misserfolg konnte sich die Anzahl der Kampfbünde bereits verdoppeln. Der Grund hierfür sind die Squadristi: Die von Fiume zurückgekehrten Legionäre D’Annunzios sammelten sich in sogenannten „Squadre d’Azione“ (Aktionsstaffeln). Zuerst bildeten sie sich in den Grenzgebieten, besonders in Julisch Venetien und den neu zu Italien gekommenen Territorien Istriens. Sie gingen in einem Nationalitätenkampf gegen Einrichtungen der dort lebenden Slowenen vor, sowie gegen Sozialisten und Kommunisten. Die Geburtsstunde des Squadrismus hatte geschlagen. Aufgeladen wurde der Squadrismus noch durch die professionellen Arditi und ihre Stoßtrupp-Taktiken, die sie bereits im Weltkrieg angewendet hatten.

Faschistische Propagandapostkarte zur Ermordung Giovanni Bertas

Schwarzhemden auf dem Vormarsch

In offenen Lastwagen rückten die Schwarzhemden zu „Strafexpeditionen“ aus und griffen stoßtruppartig die Nervenzentren des Feindes an. Hauptsächlich sozialistische und kommunistische Parteizentralen, Zeitungsredaktionen, Druckereien und Gewerkschaftshäuser wurden besetzt und zerstört. Der rote Terror wurde mit dem faschistischen Gegenterror beantwortet. Eingesetzt wurde nicht nur der „Manganello“ (Knüppel), sondern viele der roten Gegner bekamen auch Rizinusöl verabreicht. Aus einigen Provinzen wurden linke Politiker regelrecht vertrieben. Angefangen in der Po-Ebene über Veneto, die Westlombardei, Piemont, die Toskana, Umbrien bis hinunter in den Süden in die apulische Tiefebene waren die Aktionsstaffeln der Schwarzhemden auf dem Vormarsch. Die militärisch geprägte faschistische Bewegung hatte im Squadrismus ihr paramilitärisches Vollzugsorgan. Besonders auf dem Land wurde der Widerstand der kommunistisch und sozialistisch organisierten Landarbeiter gebrochen. Obwohl sich die Faschisten zunächst auf die Seite der von Enteignung bedrohten reaktionären Großgrundbesitzer stellten und sich von diesen bezahlen ließen (ebenso schlossen sie Werkschutzverträge mit Fabrikbesitzern ab), hatten sie jedoch nie im Sinne, ewig deren Knüppelgarde zu sein, sondern sie zu verdrängen, sobald die Zeit der faschistischen Machtübernahme gekommen sein würde.

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In den einzelnen Regionen kristallisierten sich sogenannte „Provinzfürsten“ heraus, die nach einem äthiopischen Feudaltitel „Ras“ genannt wurden. Viele dieser Ras sollten später im faschistischen Italien noch eine große Rolle spielen. So wurde Italo Balbo der Provinzfürst von Ferrara und Roberto Farinacci trieb den Squadrismus in Cremona voran. Roberto Farinacci, bereits in dieser Zeit sehr deutschfreundlich, war Radikalfaschist, hielt Mussolini für zu liberal und trat früh für die Einführung von Rassegesetzen ein. Er wurde 1945 von Partisanen erschossen. Sein Leichnam hing neben der Leiche des Duce.

Während der faschistischen Kampfzeit kam es in Florenz zu einer grausamen Bluttat. Als der Faschist Giovanni Berta auf seinem Fahrrad über eine Brücke fuhr, wurde er von linken Gegnern an seinem Abzeichen als solcher ausgemacht. Berta war Mitglied der Fasci, also der Politorganisation, kein Squadrist. Die Roten stachen ihn nieder und warfen ihn in den Fluss Arno. Giovanni Berta wurde zum „Märtyrer der faschistischen Revolution“. Ein Lied wurde auf ihn gedichtet, Straßen und Plätze nach ihm benannt, ein Minensuchboot der Kriegsmarine erhielt seinen Namen, in der Schule wurde er den Kindern als Vorbild vermittelt und das am Anfang der 1930er-Jahre gebaute Fußballstadion in Florenz wurde ebenfalls nach ihm benannt. Heute heißt es Artemio-Franchi-Stadion, benannt nach einem italienischen Fußballfunktionär und Freimaurer. Giovanni Berta nahm im faschistischen Italien den Märtyrermythos ein, der im nationalsozialistischen Deutschland Horst Wessel zukam.

Squadristen während des Marsches auf Rom

Von der Bewegung zur Partei

Aus der modernen Massenbewegung wurde am 9. November 1921 eine organisierte Partei. Auf dem 3. Kongress der Fasci in Rom kam es zur Gründung der „Partito Nazionale Fascista“ (PNF), der Nationalen Faschistischen Partei. Immerhin bestanden zu dieser Zeit bereits 2.200 Fasci mit 320.000 eingetragenen Mitgliedern.

Mussolini hatte vor, mit einer organisierten Partei in das verlorene Machtvakuum der unfähigen Regierung hineinzustoßen. So äußerte sich Mussolini zur Parteigründung: „Das Problem muss meiner Meinung nach so gelöst werden: Wir haben eine Partei zu gründen, die so sicher und diszipliniert gegliedert ist, dass sie im Notfall auch zu einem Heer werden kann, das auf dem Boden der Gewalt manövrierbar ist, sei es zum Angriff oder zur Verteidigung.“ Weiter führte er aus: „Wir werden immer dann für den Staat sein, wenn dieser sich als eifriger Hüter, Verteidiger und Verbreiter der nationalen Tradition, des nationalen Gefühls, des nationalen Willens erweist, der seine Autorität durchzusetzen versteht, koste es, was es wolle; wir werden immer dann an die Stelle des Staates treten, wenn dieser sich als unfähig erweist, unverzüglich die Ursachen und Elemente der inneren Zersetzung anzugreifen und zu zerschlagen. Wir werden uns gegen den Staat stellen, wenn dieser in die Hände derjenigen fällt, die das Leben des Landes bedrohen und gefährden.“

Ab 1922 ergoss sich der Squadrismus wie eine Flut über die Städte und Provinzen Ober- und Mittelitaliens. Ganze Landstriche und Städte wurden von den Schwarzhemden militärisch besetzt: Adria, Cremona, Viterbo, Novara, Ravenna, Rimini, Pavia und Biella. Genua und Mailand wurden im Sturm erobert. Gabriele D‘Annunzio schwang auf dem Mittelbalkon des Palastes der Mailänder Stadtregierung die Trikolore. Der Vormarsch hatte eine Stoßrichtung: Rom! Mussolini drohte bereits mit dem bewaffneten Aufstand, wenn es sein musste auch gegen eine feindliche Mehrheit. So sagte er: „Faschismus ist eine breite Mobilisierung materieller und moralischer Kräfte. Was setzt er sich als Ziel? Wir sagen es ohne falsche Bescheidenheit: die Nation regieren. Mit welchem Programm? Mit dem erforderlichen Programm, um die moralische und materielle Größe des italienischen Volkes zu gewährleisten.“

Rom, 31. Oktober 1922, v.l.n.r. Emilio de Bono, Benito Mussolini, Italo Balbo, Cesare Maria De Vecchi

Der Marsch auf Rom

Am 13. August 1922 forderte Mussolini Neuwahlen. Der Druck auf die liberale Regierung wuchs stetig. Immer mehr Regierungsgebäude und Quästuren (Polizeipräsidien) wurden von den Squadren besetzt. Am 27. Oktober 1922 trat die Regierung unter Luigi Facta zurück. Die zurückgetretenen Minister und Militärs trugen dem König die Ausrufung des Ausnahmezustandes und die damit verbundene Mobilisierung der Armee an. Jedoch weigerte sich Viktor Emanuel III., das entsprechende Dekret zu unterschreiben.

Die Schwarzhemden standen bereits vor Rom. Mussolini befand sich in seinem Mailänder Hauptquartier, als ihn der König am 29. Oktober nach Rom einbestellte. Mussolini fuhr von Mailand im Nachtzug in die Hauptstadt. Am 30. Oktober trat er im Schwarzhemd vor den König und sagte: „Majestät, ich komme vom Schlachtfeld.“ Der König ernannte Mussolini zum Regierungschef. Um Rom standen bereits die Legionen von ca. 70.000 Schwarzhemden und warteten auf den Befehl zum Einmarsch. Am 31. Oktober marschierten die Kolonnen der Schwarzhemden in Rom ein. Der Duce nahm in der ewigen Stadt eine triumphale Parade ab.

Bei der Regierungsbildung am Tag zuvor hatte das alte System versucht, Mussolini „einzurahmen“. Das versuchte man am 30. Januar 1933 in Deutschland auch. Die neue Regierung Italiens war am Anfang keine rein faschistische. Sie bestand aus Mussolini als Regierungschef, der auch gleichzeitig das Innen- und Außenministerium übernahm, weiterhin befanden sich in der Regierung drei Faschisten, zwei Popolari, zwei Demokraten, ein Nationalist, ein Sozialdemokrat, ein Liberaler, ein Unabhängiger und zwei Militärs.

Bis zur Festigung des Regimes und der Ausschaltung der Opposition werden noch einige Jahre vergehen. Erst um 1925/26 wird Italien zu einer faschistischen Diktatur werden. Aber man ging damals zu viele Kompromisse mit den alten „Eliten“ ein. Mit dem Königshaus und dem Adel, den zum Großteil reaktionären Militärs, den nach wie vor dem König unterstehenden Streitkräften und der Großindustrie. Eine radikale, faschistische Revolution blieb in den Anfängen stecken. Ein Umstand, der sich 1943 bitter rächen sollte. Ein Neubeginn im Jahre 1943 mit der „Repubblica Sociale Italiana“, in der man die Ur-Ideen des Radikalfaschismus und Squadrismus neu belebte und verwirklichen wollte, kam, bedingt durch die Kriegslage, leider zu spät.

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