Besprechungen #43: Hubert Ernst Gilbert – Laternenpfähle warten

Nicht nur ein Freikorps-Roman

Die Laternenpfähle warten geduldig, bis jene aufgebaumelt werden, die hängen müssen, bis wir einmal wieder die Freiheit des Handelns erlangen. Der Tag wird kommen. Das ganze Volk, oder doch der überwiegende Teil wird mithelfen. (S. 50)

Dieser Roman aus dem Jahr 1932, vom Verlag Antaios wiederentdeckt und im Frühjahr 2023 neu aufgelegt, ist rau, derb, witzig, eben ein „Buch voll Unruhe“, wie es im Untertitel heißt. Die philosophischen Einsprengsel des Autors sorgen dafür, dass dieses Buch mehr ist als bloß ein weiterer Freikorps-Roman. Der Leser verfolgt die Geschichte des Hauptprotagonisten Heinrich Strieder, zu Anfang des Romans nur „der Mensch“ genannt. Strieder, Mitte 30, hartes, junges Gesicht, gewesener Weltkriegs-Offizier, Freikorpskämpfer, dann Einsatz auf Seiten der Russen gegen die verhassten Polen. Strandet schließlich in Sibirien und wird Leiter einer Zweigniederlassung der „British and Russian Mining Corporation of Siberia“, die am Jenissei nach Gold und anderen Edelmetallen schürft.

Die Handlung setzt im April 1923 ein. In Russland herrscht eine Atmosphäre von Misstrauen und Verrat, die sowjetische Geheimpolizei GPU scheint allgegenwärtig. Als Strieder hört, dass die Franzosen das Ruhrgebiet und Teile des Rheinlandes besetzt halten, ruft es ihn zurück in seine Heimat. Mit einem kleinen Sabotagetrupp verübt Strieder in Düren einen Anschlag auf eine Gleisanlage, bei der zwei französische Posten ums Leben kommen. Doch das ist erst der Anfang einer abenteuerlichen Reise des draufgängerischen Hasardeurs in einer Zeit der Unruhe, der Unsicherheit und des Emporkommens einer Bewegung, die wenige Jahre später Weltgeschichte schreiben sollte. Der für den Buchtitel namensgebende „rote Faden“ der Geschichte ist das Notizbüchlein, das Strieder stets bei sich trägt und in dem er die Namen derjenigen einträgt, die sich um die Interessen des deutschen Volkes schwer versündigt haben, weshalb auf sie nun die Laternenpfähle warten.

Der ambivalente Charakter Heinrich Strieders ist ein Spiegelbild seiner Zeit: Er ist glühender Nationalist, doch auch ein Schwärmer und Tagträumer. Jegliche Vereinsmeierei ist ihm zuwider, er legt viel Wert auf seine Unabhängigkeit, doch kritisiert zugleich die Zerstrittenheit der politischen Rechten in der Weimarer Republik: es fehle das gemeinsame Ziel, Gruppenegoismen würden nicht zurückgestellt, jeder wolle sein eigener 1. Vorsitzender sein. Kommt uns Nationalisten der 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts das nicht irgendwie bekannt vor? Immer wieder wird Strieder von Selbstzweifeln geplagt über die Richtigkeit seines Handelns im privaten und politischen Sinne. Der Gefahr der „Verbürgerlichung“ in der sich scheinbar stabilisierenden Weimarer Republik entgeht er am Ende durch eine folgenschwere Entscheidung, die den Bogen zum Beginn der Romanhandlung schlägt.

Wer im Netz nach dem Namen des Autors forscht, wird dort kaum fündig werden. Doch der Philosoph Erik Lehnert bringt in seinem Nachwort Licht ins Dunkel des Phänomens Hubert Ernst Gilbert: Geboren 1889 in Niederschlesien, Hauptmann im Ersten Weltkrieg und Freikorpskämpfer (wie sein Protagonist Strieder), Zechpartner von Ernst Jünger und nach eigenen Angaben „deutschnational“, später mit nationalbolschewistischen Anklängen. Ab 1940 sammelte Gilbert in Dänemark Nachrichten für die deutsche Abwehr und den SD. Am 14. Oktober 1944 wurde er von einer Attentäterin mit mehreren Pistolenschüssen schwer verletzt und starb einen Monat später, am 18. November 1944, im Reichskrankenhaus Kopenhagen.

Nach der Lektüre dieses Buches wird sich wahrscheinlich der ein oder andere Leser dazu veranlasst sehen, in ein Schreibwarengeschäft zu gehen und ein schönes Notizbuch zu kaufen. Denn die Laternenpfähle, so lehrt es dieser Roman, warten geduldig.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #37

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