Erosion des Rechtsstaates

Vor über zwanzig Jahren, und natürlich erst einige Zeit nach dem Ende seiner Kanzlerschaft, sagte Helmut Schmidt: „Unsere Demokratie ist mit unsäglichen Geburtsfehlern behaftet. Deren größter und unsäglichster ist, dass bei uns nicht recht bekommt, wer im Recht ist, sondern recht bekommt und Recht setzen kann, wer die Macht hat.“

Damals erschien das eine Minderheitenmeinung; denn das verfassungsgemäße System funktionierte für die allermeisten Menschen, unabhängig davon, dass die Verfassung der BRD sich Grundgesetz nennt und niemals von der Mehrheit des Volkes verabschiedet worden ist, sondern von den Parlamenten der damaligen deutschen Länder.

Inzwischen ist viel Wasser die Elbe heruntergeflossen, jenen Fluss, an dessen Ufern Helmut Schmidts Heimatstadt Hamburg liegt. Was damals vielen abwegig erschienen ist, hat sich als prophetisch erwiesen; denn so sind die Verhältnisse heutzutage!

Kernpunkt einer Demokratie ist die Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Jurisdiktion.

Damit hapert es insbesondere in einem von Parteien dominierten Staat von Anfang an. Die Legislative – das Parlament – wählt die Exekutive – die Regierung. Damit hat von Anfang an die Regierung eine parlamentarische Mehrheit, was sich im Laufe einer Legislaturperiode nur sehr, sehr selten ändert. Und damit liegt auf der Hand, dass – vor allem auch mit dem Mittel des Fraktionszwanges – das Parlament mehr oder minder alle Gesetze beschließt, die die Regierung haben möchte. Wo also ist da noch die Teilung der Gewalten?!

Über lange Zeit hinweg waren die Gerichte ein Korrektiv für diese Situation, vor allem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das als „Waffe des kleinen Mannes“ gegen Übergriffe seitens des Staates, also der Regierung und ihrer Verwaltung, galt.

Abe auch hier gab es Schritt für Schritt den Sündenfall.

Der erste war eigentlich noch gar nicht einmal schlimm: Der Hamburger Jura-Professor Hoffmann-Riem wurde auf dem „Ticket“ der damaligen „Statt-Partei“ Justizsenator des Bundeslandes Hamburg, ohne der „Statt-Partei“ überhaupt anzugehören: Die überraschend ins Landesparlament gewählte und dann gleich an der Regierung beteiligte Partei hatte so wenig Fachpersonal, dass sie auf externe Kapazitäten zurückgreifen musste.

Wenige Jahre später wurde derselbe Hoffmann-Riem, der vorher Angehöriger einer Landesregierung gewesen war, in das Bundesverfassungsgericht berufen. Eine erste schrittweise Aufweichung des Trennungsgebotes auch im Höchstgericht.

Nun stieß das damals auf wenig Kritik, weil Prof. Dr. Hoffmann-Riem eben ein „Seiteneinsteiger“ in die Politik gewesen war, nicht eingebunden in Seilschaften parteilicher Art, in „Kanalarbeiterriegen“ oder „Toscana-Fraktionen“ oder sonstige eher klandestine Netzwerke. Ein Unabhängiger im besten Sinne, und ein ebenso fachkundiger wie liberaler Jurist. Kritik am Wechsel von einer Landes-Exekutive zum höchsten Bundesgericht hätte also nur rein abstrakt geäußert und niemals an der konkreten Person festgemacht werden können. –Also gab es keine Kritik.

Aber wie bei der Salami-Taktik war der nächste Fall dann schon ein wenig deutlicher.

Peter Müller war bis 2011 zwölf Jahre lang Ministerpräsident des Saarlandes und wurde dann noch im gleichen Jahr Richter am Bundesverfassungsgericht. Es mutet fast wie Hohn an, wenn „Wikipedia“ in seinem Profil von ihm als „ehemaligem deutschen Politiker (CDU)“ spricht. Kann einer, der zwölf Jahre lang oberster Politiker eines deutschen Bundeslandes war, gewissermaßen von jetzt auf sofort seine Eigenschaft als Politiker „ablegen“ und zu einem wirklich neutralen Richter werden?! Das ist so gut wie unvorstellbar! Höchstens dann, wenn man ein antikes oder mittelalterliches Staatsverständnis hat, wo die Könige zugleich die obersten Richter waren, siehe den berühmten Salomon.

Pikanterweise war der „ehemalige“ CDU-Politiker dann auch berichterstattender Richter im zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD. Natürlich stellte die NPD gegen ihn einen Befangenheitsantrag, richtiger: Einen Ausschlussantrag wegen dringender Besorgnis der Befangenheit. Und ebenso natürlich – eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus! – wurde dieser vom Gericht abgewiesen….

Noch deutlicher aber wurde die Aufweichung der Gewaltenteilung, als Stephan Harbarth erst in das Bundesverfassungsgericht berufen, dann zum stellvertretenden Präsidenten ernannt und nunmehr der tatsächliche Präsident ist.

In seinem „Wikipedia“-Profil wird noch nicht einmal, wie bei Peter Müller, das „Feigenblatt“ verwendet, ihn als „ehemaligen“ Politiker zu bezeichnen. – Vielleicht differenziert „Wikipedia“ da feinsinnig, dass ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages – anders als ein Ministerpräsident – bei Übernahme eines Richteramtes Politiker bleiben dürfe…

Welche Auswirkungen die enge Verquickung der drei Gewalten hat, zeigte sich insbesondere in der Corona-Krise. Das unter Harbarths Leitung stehende Höchstgericht hat seither in juristischen Kreisen den negativen Ruf einer „Abstempelmaschine“, die selbst die nicht nur unsinnigsten, sondern auch verfassungsrechtlich fragwürdigsten Eingriffe der Regierung in die Grundrechte „abstempelt“.

Wo der Rechtsstaat erodiert, müssen die Bürger auf die Straße gehen

Zur Erinnerung: Unter den Diktatoren Hitler und Honecker war es niemals verboten, dass sich drei Menschen zum Skatspielen zusammenfinden. Erst unter der Regierung von Angela Merkel war es zeitweilig verboten, dass sich mehr als zwei Menschen, wenn sie nicht alle aus einem Haushalt stammten, versammelten…. Und während das damals berüchtigte „curfew“ (nächtliche Ausgangssperre) in der Besatzungszeit letztmalig galt, wurde es wegen Corona wiedereingeführt – und in Karlsruhe „abgestempelt“. Ein Ausverkauf von Grundrechten unter schroffer Missachtung aller echter Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit.

Deshalb prangerte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, „Rechtsbruch und Staatsversagen“ an. Vor dem Wiesbadener Anwaltsverein erklärte er unter dem begeisterten Zuspruch des teilweise hochkarätigen Publikums die Asylpolitik insbesondere des Jahres 2015 zum „klaren Rechtsbruch“ und äußerte Kritik an der Abschaffung (richtiger: Aussetzung) von Grundrechten in der Corona-Zeit. Zitiert wurde er wie folgt: „Obwohl das Grundgesetz die beste Verfassung in Deutschlands Geschichte ist, zerbröckelten Recht und Gerechtigkeit zunehmend.“ Und als Fazit zog er: „Durch die Rechtsbrüche und das Staatsversagen stärkt man extreme Kräfte und schwächt zugleich das Ansehen des demokratischen Rechtsstaates.“

Wenn in Fachkreisen von einer „schleichenden Erosion“ des Rechtsstaates gesprochen wird, dann ist das ein Euphemismus, eine beschönigende, verhüllende, mildernde Bezeichnung. Richtiger ist, die Erosion als bereits galoppierend zu bezeichnen.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #31

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