„Es geht um die nackte und brutal existentielle Wahrheit“ – Im Gespräch mit Peter Töpfer

Peter Töpfer ist eine Berliner Institution, wenn wir an Anarchismus von Rechts, „Querfront“ und schillernde Persönlichkeiten denken. Also wird es Zeit, ihn selbst zu Wort kommen zu lassen. Utopie, Wahrheit, Weltanschauung – ein Versuch, den eigenen Horizont zu erweitern.

N.S. Heute: Hallo Peter! Ein Nationalanarchist gibt einer Zeitschrift namens N.S. Heute ein Interview – das verspricht schon mal, kontrovers zu werden. Erkläre unseren Lesern bitte zunächst, was Du unter „Nationalanarchismus“ verstehst und warum Du Dich als Vertreter des „radikal linken Flügels des Nationalen Widerstandes“ bezeichnest.

Töpfer: N.A. legt bei Verfassung und Gestaltung des Kollektiven im Vergleich mit dem – zumindest historischen – N.S. einen größeren Wert auf die Freiheitlichkeit. NA‘ler sind für die Herrschaftslosigkeit, aber in einem kulturell-sittlichen Rahmen. Sie sind für das Nationale, aber das muss sich nicht mit den Meganationalstaaten decken; dieses authentisch Kollektive kann eher das sein, was man gewöhnlich als „das Regionale“ bezeichnet. Man spricht ja auch von den „Völkern Deutschlands“, manche bezeichnen das als „die Stämme“. Welcher Begriff auch immer – es geht um die echte, natürliche, selbstverwaltete Gemeinschaft: das Eigene auf kollektiver Ebene. Das nenne ich „Nation“. Ein Meganationalstaat kann nur schlecht selbstverwaltet sein; da wird immer Bürokratie, Herrschaft drauf lagern. Aber kulturell verwandte Nationen sollen ein Bündnis schmieden, ein Reich – darin mag dann der Bezug zum Meganationalstaat liegen. Unter „radikal links“ habe ich in einer gewissen Tradition diese herrschaftslose Selbstverwaltung verstanden, aber ich bin mir sicher, dass etliche Rechte viel mehr davon haben als die allermeisten derer, die sich heute „Linke“ nennen. 

N.S. Heute: Du bist in den 60er-Jahren in Leipzig aufgewachsen und warst in Deiner Jugend in kommunistischen und maoistischen Gruppen unterwegs. War die radikale Linke in der damaligen DDR volksfeindlich – oder gab es damals schon radikal linke Strömungen, die das Nationale mit dem Sozialen zusammenführen wollten?

Töpfer: Eine Volksfeindlichkeit war damals undenkbar. Wir waren ganz selbstverständlich deutsch. Dass das Soziale untrennbar zum Nationalen gehört, dass das Gemeinschaftliche national geprägt sein muss und gar nicht anders sein kann, war gar keine Frage – übrigens nicht nur auf Seiten der radikal linken Opposition (bei den Rechten sowieso, aber die kamen erst in den 80ern), auch auf Seiten des Regimes nicht. Da war man sich einig, ohne das überhaupt wahrzunehmen, so selbstverständlich war das – nur aus der Rückschau von unserer verrotteten Gegenwart aus fällt es auf.

Die Wasserquelle ist für Peter Töpfer ein neuer, frischer Impuls der nackten, reinen Wahrheit

N.S. Heute: Im September warst Du auf dem Netzwerktag der „Deutschen Stimme“ in Eisenach zu Gast, wo unter anderem über den Gedanken einer „Querfront“ zwischen „links“ und „rechts“ diskutiert wurde. Ausweislich Deiner Biographie auf peter-toepfer.de hast Du Dich selbst in der Vergangenheit als Verfechter einer solchen „Querfront“ versucht. Wie ging dieses Experiment damals aus und wie stehst Du heute zu dem Gedanken einer „Querfront“?

Töpfer: Schwierige Frage. Unsere Querfrontansätze damals waren ja wenigstens erfolgreich – wenn auch in einem bescheidenen Rahmen, aber immerhin! Wie es ausging? – Es ging einfach aus; die Linken bekamen es mit der Angst zu tun.[1] Es geht ja um die tatsächliche und praktisch-aktive Umsetzung oder Verschmelzung, alles andere ist ja reine Theorie und somit völlig irrelevant. Und das gestaltet sich dann doch extrem schwierig und aufreibend, sodass ich heute – angesichts der dramatischen Lage – eher davon abrate und das als Energieverschwendung betrachte. Wie ich schon in Eisenach sagte: als Nationale radikal, authentisch, freundlich und offen auftreten – dann gesellen sich die noch normal gebliebenen Linken schon zu uns. 

N.S. Heute: Gegen die N.S. Heute werden vom Regime schwere Geschütze aufgefahren, unser Schriftleiter Sascha Krolzig steht zurzeit vor dem Landgericht Dortmund, weil ihm „Volksverhetzung“ und „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ vorgeworfen werden. Mit welchen Methoden die Machthaber gegen unbequeme Medien vorgehen, hast Du auch selbst miterlebt, während Deiner Zeit als Redakteur für das Magazin „Sleipnir – Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik“. Welche Repressionen gab es damals gegen „Sleipnir“ und warum musste die Herausgabe des Magazins eingestellt werden?

Töpfer: Ja, was heute passiert, kenne ich alles von uns und vielen anderen damals in den 90er- und 00er-Jahren, das war immer schon so Usus in der BRD. Wer sich speziell für die Repression gegen „Sleipnir“ und den Verlag der Freunde interessiert, die am Ende zur Einstellung des Magazins und zur Zerschlagung des Verlages geführt haben, findet Infos dazu im Netz.[2] Bei dieser Gelegenheit: Wenn sich damals wie wir mehr für die Freiheit eingesetzt hätten, hätten wir nicht die Katastrophen von 2015 und später um Corona erleben müssen. Aber als sie zuerst die Nazis holen kamen, sagte man: „Ich bin kein Nazi.“ Wir von Sleipnir waren keine NS‘ler, sondern als Libertäre der Zeit voraus, aber selbstverständlich hatten sich für uns auch NS‘ler völlig frei äußern können, und so gaben wir auch ihnen und dem Thema „Freiheit der historischen Forschung“ Raum in der Zeitschrift – das war und ist der Lackmustest der Freiheitlichkeit (ganz abgesehen davon, dass bei der Formulierung unserer nationalen Interessen auch die Beschäftigung mit dem NS nicht ausbleiben kann). Die heute rumjammern, dass sie verfolgt werden, haben damals selbst die Weichen dazu gestellt – bis auf die mit der Gnade der späten Geburt, von denen sich aber die allermeisten genau so verhalten hätten – und heute auch so verhalten. Das ist eine zu verachtende Schande.

N.S. Heute: Du beschäftigst Dich nicht nur mit politischen, sondern auch mit philosophischen Theorien. Was ist das „Institut für Tiefenwahrheit“, dessen Direktor Du bist, und was will dieses Institut erreichen?

Töpfer: Das IfTW hat eine gute Internetpräsenz, wo diese Fragen ausführlich beantwortet werden.[3] Kurz gesagt, soll die Arbeit am Institut die denkbar tiefste Form von Wahrheit aufzeigen, wobei diese aber lediglich die einzelne Person betrifft, überhaupt nichts zum Beispiel Politisches. Die Tiefe liegt darin, dass diese Einzelnen im Wesentlichen von Gefühlen ausgemacht werden – viel mehr als von Gedanklichem, Theorien und weit diesseits jeder Art von Philosophie. Deswegen lege ich größten Wert auf das Post-Philosophische und Trans-Intellektuelle meiner Arbeit und freue mich, bei dieser Gelegenheit mal wieder ein Missverständnis ausräumen zu können.  

Was das Institut erreichen will: Bausteine dazu liefern, dass der oder die Einzelne einer Übereinstimmung mit sich selbst näher kommt. Uneinigkeit mit sich selbst und innere Konflikte sollen durch die Zurückführung auf einen einzigen Punkt in der Tiefe der Person unterwunden werden – im Gegensatz zu einer Überwindung, die durch rein geistige Aktivitäten erfolgt und deswegen unvollständig bleiben und scheitern muss. Ansonsten – jenseits irgendeines Zweckes – dokumentiere ich einfach die existenzielle Erfahrung, wie es Menschen schon immer getan haben, aber eben nicht in dieser Tiefe.

N.S. Heute: Hast Du in Deinem Leben irgendwann einen Punkt erreicht, an dem Philosophie eine übergeordnete Bedeutung eingenommen hat? Was war Dein Schlüsselerlebnis dazu? Hast Du vielleicht sogar Philosophie studiert?

Töpfer: Ich war schon immer an Philosophischem interessiert, gottseidank hat das aber – dank der vielen Unterwindungen – beträchtlich nachgelassen. Dieses zwanghafte Nachdenken und Grübeln ist kein schöner Zustand, ich habe das mal am Beispiel von Hölderlin dargestellt.[4]

N.S. Heute: Wenn ich das richtig verstanden habe, verdienst Du Dein Geld damit, Menschen zuzuhören. Du hast einen Zuhördienst und bietest im Netz gegen Geld an, als Zuhörer von Wahrheiten Deinen Kunden zuzuhören. Inwiefern unterscheidest Du Dich dabei von einer psychotherapeutischen Praxis, und lässt sich davon ein Lebensunterhalt bestreiten? Welche Qualifikation bringst Du als „Zuhörer“ mit? Für mich klingt das irgendwie etwas merkwürdig und nach so einem „typischen Berlin-Ding“. Ich selbst habe sowas noch nie gehört. Gibt es das öfter in Deutschland? Vorausgegangen ist Deinem Institut „Die Abnahmestelle für seelisch belastendes Material“. Ich glaube auch, dass viele so einiges an Qual mit sich tragen, aber was ist nur mit der Gesellschaft los, dass es da anscheinend eine so große Schar an Kunden für Dich gibt?

Töpfer: Die verschiedenen gewerblichen Dienste wie der Zuhördienst und die „Abnahmestelle für seelisch belastendes Material“ werden nicht mehr angeboten[5], können aber einen Einstieg in das Verständnis von Tiefenwahrheit bieten. Als Praxis findet nur noch die reine Wahrsagerei statt, die aber als Gewerbe im Moment ruht. Es gibt also bei mir keine Schar an Kunden, aber Du hast Recht: die seelische Qual ist eine, diesmal wirkliche Pandemie, und die psychotherapeutischen Praxen werden immer mehr überlaufen. Dabei helfen die aber nur sehr ungenügend, sodass es angesichts unseres tatsächlich desolaten, ja katastrophalen gesellschaftlichen Zustandes neuer Impulse bedarf.

Der Unterschied zu jeglicher Form von Psychotherapie liegt darin, dass es bei der Tiefenwahrheit nur um das Aussprechen der nackten und brutalen existenziellen Wahrheit geht – ohne jeglichen theoretischen Rahmen, in dem die Wahrheit zwangsläufig verbogen und übergangen, ihr ausgewichen wird. Der Psychotherapeut bewegt den Kunden immer in eine gewisse Richtung – im Grunde von sich weg. Der Wahrheitsbegleiter tut das überhaupt nicht, er assistiert nur – insoweit er überhaupt gebraucht wird – sehr vorsichtig, überlässt den Kunden vollständig seinem tiefen Gedanken- und Gefühlsfluss, wohin sich dieser auch immer bewegt, interveniert darin überhaupt nicht. Nur so kann der Kunde zu dem oben erwähnten Punkt der Einheitlichkeit kommen. Schön wäre es, wenn die Volksgenossen sich auf diese Art gegenseitig assistieren könnten („ich muss mich mal bei dir gründlich ausquatschen“). In einem echten Gemeinwesen könnte es aber auch eigens dafür geeignete Zuhörer, Wahrheitsbegleiter, geben; der gewerbliche Aspekt spielt hier keine Rolle, das ordnet sich von alleine… 

N.S. Heute: Dein absolutes Hauptthema scheint die Wahrheit und nichts als die absolute Wahrheit zu sein. Denkst Du, wir können politisch was verändern mit der Wahrheit, oder bezieht sich das nur auf das persönliche Aussprechen von Wahrheiten? Kann ein Mensch überhaupt immer die pure Wahrheit sagen? Wären wir dann nicht alle längst in Haft?

Töpfer: Auch wenn es mir beim Institut nur um das Aussprechen von persönlichen Wahrheiten geht, so liegt es doch auf der Hand, dass das Konsequenzen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene hat. Natürlich kann ein Mensch nicht immer die pure Wahrheit sagen! Deswegen muss das in einem sicheren und abgeschiedenen Rahmen geschehen wie etwa beim Dorfschamanen, weswegen der sich dann damit und als guter Zuhörer auch ein paar Eier verdienen darf. Aber auch bei dem, was man für politisch, historisch usw. für wahr hält, muss man sehr aufpassen, was man davon an die Öffentlichkeit lässt – was Du ja jetzt am eigenen Leibe erlebst. Man muss abwägen, wie weit man gehen kann – oder muss. Ein gewisses Martyrium kann durchaus, wie ganz aktuell im Falle von Vincent Reynouard oder Horst Mahler, richtig sein. Das hängt vom Einzelnen ab, je nach dem, was er verantworten kann und für wie sinnvoll oder politisch wirksam er es erachtet.

N.S. Heute: Würdest Du Deine Ansichten zu einem nationalen Anarchismus als eine Ideologie oder als eine Weltanschauung bezeichnen? Nur um die Begriffe auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: Eine Ideologie ist für mich persönlich etwas eher fiktives und greifbares, mehr eine Idee, es könnte auch durchaus eine Utopie sein, ein Konstrukt, während eine Weltanschauung für meine Begriffe in alle Lebensbereiche schon in der Praxis hineingreift, wie ein Zahnrad. Sie ist also in der Realität umsetzbar, sie knüpft an Vergangenheit und Zukunft an, sie ist existent.

Töpfer: Nationalanarchismus ist etwas äußerst Topisches: Es geht immer nur um das größte Maß an Freiheit, Eigenverantwortung, herrschaftslose Selbstverwaltung und Schutz des Eigenen an einem ganz konkreten Ort (Topos), in einer ganz konkreten Lage. Das, was uns dabei aus unserem Inneren heraus führt und bei Veränderungen die Richtung angibt, sind natürlich auch Vorstellungen von dem, was man als passend und richtig erachtet. Das könnte man dann auch als „Weltanschauung“ bezeichnen, aber ich bin da eher skeptisch, dass das zu Kopfgeburten und Unnatürlichem, Instabilem führt. Mit irgendwelchen Utopien, Ideologien und Konstruktionen hat der Nationalanarchismus jedenfalls nichts zu tun.

N.S. Heute: Wir bedanken uns für das sehr tiefe und wahrscheinlich auch wahrheitsgemäße Gespräch. Das war auch für uns als Magazin mal etwas anderes und nichts von der Stange. Du bist ein toller Gesprächspartner und interessanter Mensch mit vielen Facetten. Schön, dass Du uns geantwortet hast und wir uns so näher mit Deinen Ansichten befassen konnten. Das letzte Wort gehört Dir, Peter!

Töpfer: Ich freue ich mich sehr über das, was Du sagst, und bedanke mich sehr herzlich bei Euch von N.S. Heute, dass ich meine Arbeit etwas vorstellen konnte! Bei mehr Interesse gebe ich ein paar Verweise im Anhang.[6] Bei der Gelegenheit möchte ich den Aktivisten von DIE RECHTE auch ein Kompliment machen, nämlich dafür, wie ich sie bei einer Demo in Leipzig im Jahre 2020 erlebt habe. Ich habe darüber ein Video gemacht[7] und sage: Tolle Arbeit, weiter so! – auch wenn ich ein Linker bin. 😉 

Das Gespräch führten Frida Dentiak und Sascha Krolzig.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #33

Hier ein Abonnement der Zeitschrift Nationaler Sozialismus Heute abschließen: www.nsheute.com/abo

Ausgewählte Bücher und Zeitschriften in unserem Netzladen: www.sturmzeichen-versand.de


[1] http://nationalanarchismus.de/, Suchbegriff „Querfront“.

[2] https://peter-toepfer.de/sleipnir/sleipnir.html

[3] http://tiefenwahrheit.de/, https://www.youtube.com/channel/UCitrpXABSS7O4F2Lv5r_zxQ

[4] Hölderlin & Tiefenwahrheit 3/7: Flucht aus Krampf & Zwang der Philosophie: https://www.youtube.com/watch?v=YnWCho-Ghj4&list=PLvnPNlSwjOOmyARGSx9oEpTCBIhw8pas1&index=3

[5] http://www.die-dienste.peter-toepfer.de/

[6] nationalanarchismus.de, Bücher: – Nationalanarchismus. Manifest und Texte 2000 bis 2004, mit Beiträgen von Troy Southgate und Hans Cany (2004); – nationale Anarchie. Texte 1997 bis 2000. Mit einem Briefwechsel mit Christian Worch (2004) – beide nur noch digital lieferbar: http://faultierfarm.net/produkt-kategorie/digi-buecher/; Die Wahrheit – sie sagen und in ihr leben (2006), analog und digital lieferbar: http://faultierfarm.net. Aktuell: multipolaristen.de, http://blog.peter-toepfer.de/

[7] https://www.youtube.com/watch?v=ZOHb_1oSjpc&t=458s:

1 Gedanke zu „„Es geht um die nackte und brutal existentielle Wahrheit“ – Im Gespräch mit Peter Töpfer“

Schreibe einen Kommentar