Missbrauch der Moral – Von der Antike bis zur Gegenwart (1/2)

Wertung begleitet immer die Moral

Mit diesem Artikel will ich Euch die Hintergründe heutiger Moralvorstellungen verdeutlichen, insbesondere wollen wir am Ende enthüllen, woher dieser alles beherrschende linke Moralismus kommt und wie er Einzug halten konnte in die Köpfe vieler Menschen.

Dazu ist es notwendig, dass wir uns wertfrei mit dem Begriff der „Moral“ beschäftigen, folgt doch die Wertung dem Begriff Moral dicht auf den Fersen: Moralisches Handeln soll immer etwas Gutes sein, unabhängig vom Ausgang der Handlung. Unmoralisches Verhalten wird immer verurteilt, unabhängig von den Umständen. Bei der Armee wird mit „hoher Kampfmoral“ der Mut der Streitkräfte bewertet, die „Arbeitsmoral“ einer Belegschaft ist eine weitere Wertung.

Von diesen Wertungen müssen wir uns befreien, wenn wir die Moral der heutigen Zeit untersuchen wollen. Die Wertung ist immer erst der zweite Schritt, der aufgrund der herrschenden oder vereinbarten Moralvorstellung erfolgt. Moral wertfrei betrachtet ist nur eine Ansammlung von Geboten, Vorstellungen und Verhaltensregeln, die in einem wie auch immer gearteten Zusammenleben gelten.

Falsche Propheten der Moral

Angeborene Moral

Die ursprüngliche und natürliche Form der Moral ist die angeborene Moral. Ohne diese würde keine Familie funktionieren, kein Kind würde umsorgt werden. In der aktuellen Verhaltensforschung geht man davon aus, dass jedes Verhalten eine genetische Grundlage hat und anschließend durch die Umgebung verändert wird – die Grundlage sind die Gene. So verhält es sich auch bei der Moral: Ohne die Liebe, Fürsorge und die Bereitschaft zum Verzicht wäre kein Zusammenleben in der Familie möglich. Diese Eigenschaften haben sich im Laufe der Evolution entwickelt und die Veranlagung dazu liegt demnach in den Genen. Der Biologe Hans Mohr schreibt dazu: Wir brauchen moralisches Verhalten nicht zu lernen – es ist eine angeborene Disposition, die uns befähigt, das moralisch Richtige zu treffen.

Kein Kind beginnt seine Moralentwicklung aus dem Nichts, denn es verfügt als Voraussetzung für moralisches Verhalten über eine Reihe angeborener Reaktionen. Dazu gehört beispielsweise Empathie: die Fähigkeit, sich in die Freude oder den Schmerz eines anderen Menschen hineinzuversetzen. Neugeborene weinen ebenfalls, wenn sie jemanden weinen hören, und sie freuen sich sichtlich mit, falls fröhliche Laute und Lachen ertönen. Schon ab dem zweiten Lebensjahr trösten Kinder traurige Spielkameraden oder ihre eigenen Eltern. In einem Artikel auf focus.de mit dem Titel „Ist Moral angeboren?“ wird beschrieben:

Lange Zeit galt für die Gelehrten die Vernunft als das Maß der Dinge, wenn es um derartige Dilemmas und moralische Entscheidungen ging. Erst die rationale Überlegung versetzt den Menschen in die Lage, so lehrte die Aufklärung, das Richtige zu tun – ein rechter Holzweg, wie sich herausgestellt hat. Denn an die Kraft der menschlichen Vernunft glaubt heute kein Hirnforscher mehr. Eher sind es die Emotionen, die den Homo sapiens zu moralischen Urteilen befähigen. (…)

Die Denker der Aufklärung hatten demnach Henne und Ei verwechselt – was wir ihnen übrigens tagtäglich nachmachen. Wir glauben, dass wir argumentativ urteilen, doch tatsächlich gilt es heute unter den Hirnforschern als allgemein anerkannt, dass wir erst entscheiden und dies danach wortreich rechtfertigen. Das Gefühl kommt folglich an erster Stelle, die Rationalisierung danach. (…)

Marc Hauser, ein Primatenforscher an der Harvard-Universität, geht gar davon aus, dass die Fähigkeit zur Moral in der DNA verankert, also angeboren ist. Fremdenhass oder die Verpflichtung, einem hilflosen Kind zu helfen, liege genauso in den Genen wie etwa die Regeln des sozialen Miteinanders.

So, jetzt wisst Ihr es ganz genau: Die Grundmoral zum Leben in der Familie und Sippe und zur Abwehr von Fremden liegt in den Genen.

Erlernte Moral

Im Laufe des Lebens verändert sich aber diese angeborene Grundmoral abhängig von der Umgebung, verändert sich an den üblichen Geboten, Vorstellungen, Verhaltensregeln und Sitten im jeweiligen Umfeld – wobei Sitte auch nur ein anderes und heutzutage veraltetes Wort für Moral ist, genauso das griechischstämmige Wort „Ethik“.

Dieser Vorgang ist nachgewiesen mit Versuchen an eineiigen Zwillingen: Wenn sie in verschiedenen Umgebungen oder Familien aufwuchsen, veränderten sich im Laufe des Lebens die Moralvorstellungen angepasst an die jeweiligen Einflüsse, obwohl die ursprünglichen Moralgene identisch waren. Und das ist nun genau das Problem: Es kommen Glücksritter, Propheten, Weltretter und linke Meinungsdiktatoren, die möglichst vielen Menschen ihre verqueren Moralvorstellungen aufzwingen wollen.

Erklärungen, wie Menschen von außen aufgedrängte Moral aufnehmen und umsetzen oder ablehnen, wie sich Moralvorstellungen verbreiten und durchsetzen, gibt es so viele wie Sand am Meer. Bevor wir uns Gehlens Theorie über die herrschende linke Hypermoral widmen, wollen wir einen ausführlichen Blick auf die Sicht des bewährten Philosophen Friedrich Nietzsche auf die Moral werfen.

Nietzsches „Genealogie der Moral“

Die „Genealogie der Moral“ gilt als Wegbereiter der postmodernen Philosophie und beeinflusste zahlreiche Denker. Ich werde versuchen, Nietzsches Gedankengänge möglichst verständlich zu erläutern. Nietzsches Ansatz bei der Untersuchung der Moral ist die Aufhellung der Entstehungsgeschichte der verschiedenen Moralvorstellungen, sozusagen das Hinabsteigen in die Genealogie der Moralstrategien.

Vorab fordert Nietzsche eine grundsätzliche Änderung der Sicht auf Moralurteile. Landläufig geht die Beurteilung einer moralischen Handlung immer vom Empfänger aus: Wenn ich zum Beispiel einem Bettler Geld schenke, bin ich aus Sicht des Bettlers der Gute, wenn ich ihn verprügele der Böse. Das ist nach Nietzsche grundsätzlich falsch, und ein Perspektivenwechsel soll den Handelnden und nicht den Empfänger in den Mittelpunkt stellen – der Handelnde ist immerhin der Aktive, der die Macht zum Handeln hat und dieser beurteilt selbst seine moralischen Handlungen.

1887 erschien die „Genealogie der Moral

Aristokratische Moral

Damit sind wir schon bei der ersten von zwei Arten von Moral in der Weltgeschichte: die „aristokratische Moral“, wie sie Nietzsche bezeichnet, die Moral der Mächtigen. Das ist die Moral der Entscheider und Lenker, die Gemeinwesen und Kulturen aufbauen, Kriege führen und die Wirtschaft lenken. Die Mächtigen betrachten sich ganz klar als die Guten, was angesichts der Leistungen auch naheliegend ist, hegen aber keinen Groll oder Hass gegen Mittelmaß, Kleingeistigkeit und Gewöhnlichkeit der Untertanen – man hält Abstand, aber auf beiden Seiten ist nichts „böse“ in dieser aristokratischen Moral, jeder wirkt an seinem Platz. Nietzsche beschreibt, dass diese aristokratische Ethik die vorherrschende Moral der Antike war und zu den verschiedenen Hochkulturen geführt hat.

Wie kam es nun dazu, dass wir heute das genaue Gegenteil einer solchen Moral verinnerlicht haben? Warum erscheint uns diese alte Moral unmenschlich und herablassend, obwohl diese Moral die beeindruckendsten und besten Leistungen der Menschheitsgeschichte hervorgebracht hat? Wie konnte es zu einer solchen Umkehr der Werte kommen?

„Sklavenmoral“ nach Nietzsche

Die Antwort ist einfach: Es trat eine zweite Moral auf den Plan, die „Sklavenmoral“, wie Nietzsche sie bezeichnet, der ein Umsturz gelungen ist. Erstmal ist es so, dass auch jeder Untertan, nicht nur die Mächtigen, nach Höherem strebt, natürlich im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten. Da dies nur begrenzt gelingen kann, weil die Mächtigen zu mächtig und die eigenen Fähigkeiten zu begrenzt sind, kam man auf einen simplen, aber genialen Trick: die Umkehr der Werte.

Ist der Schwache in der aristokratischen Moral der gemeine, mittelmäßige, so schwingt er sich bei der Werteumkehr zum Guten, indem er die Herrscher als die Bösen bezeichnet. Das Böse ist der mit dieser neuen „Sklavenmoral“ eingeführte neue Begriff, der die Herrscher disqualifiziert und die Untertanen zu den neuen Guten macht. Der Sieg dieses Tricks ist in Europa dem Christentum als nicht nur religiöse, sondern auch machtbewusste Bewegung zuzuschreiben. Das gesamte Christentum ist durchsetzt von der Vorstellung, dass plötzlich der Geringe, der Kranke, der Untertan – Diskriminierte würde man heutzutage sagen – das Sinnbild des absolut Guten ist. Der revolutionäre Vorwurf des Bösen und die Selbstdarstellung als das Gute im Christentum vollzieht die vollkommene Umkehr in der Moral und befähigt zur Macht, so einfach ist das nach Nietzsche.

Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen diesen zwei Moralkonzepten. Während der Aristokrat an das eigene Gute, seine Leistungen und seinen Fähigkeiten glaubt, hegt der Schwache Groll, Neid und Eifersucht auf die vom Leben Begünstigten und natürlich Herrschenden. Das Leben ist ungerecht, sagt der Schwache, deswegen kann es nicht das richtige Leben sein, es ist des Satans, das Leben des lieben Gottes ist bestimmt woanders, dort wo noch niemand war. Himmel und Hölle waren damit geboren, und damit auch alle Vertröstungen, die über die Unfähigkeit der Anführer der „Sklavenmoral“ hinwegtäuschen.

Vertröstet mit dem Himmelreich

Kommunismus

Der Kommunismus ist ein ähnliches Moralprodukt. Der Schwache behauptet, dass die Gesellschaft ausbeuterisch, repressiv und ungerecht ist. Die marxistischen Propheten behaupten diesmal aber nicht aus göttlicher Eingebung, sondern auf angeblich wissenschaftlicher Grundlage, dass die kapitalistischen Widersprüche überwunden werden müssen und verkünden das zukünftige Ende der Geschichte mit der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft – diesmal ein Himmel auf Erden. In die Hölle kommen die Nichtkommunisten, insbesondere Nazis und Faschisten, und zwar sofort.

Das ist nun der Endpunkt der Genealogie der Moral Nietzsches. Die „humanitäre Gesellschaft“ ist das neueste Produkt aus dieser Reihe, wo sich die Schwachen emporschwingen und im Brustton moralischer Rechthaberei Vorschriften machen, was jeder zu tun und zu lassen hat und wie er sprechen soll.

Der Philosoph und Autor Alexander Grau spricht 2018 von einem „Moralismus mit totalitären Zügen“ und nennt ihn „Hypermoralismus“: Der Hypermoralismus ist ja nicht politisch neutral, sondern wir kennen ihn vor allem eigentlich aus dem linken oder linksliberalen Lager. Er ist der Versuch, die Gesellschaft anhand linker Ordnungsvorstellungen und eines weitestgehend links konnotierten Menschenbildes auszurichten und hat seine Wurzeln in der 68er-Bewegung und in der kulturellen Hegemonie, die in einigen Teilen der Gesellschaft zumindest dieser Linksliberalismus inzwischen erlangt hat.

Damit sind wir zum Ende des ersten Teils der Abhandlung über den Missbrauch der Moral gekommen. Diese Ausführungen waren als Erstes notwendig, um den Werdegang der Moral zu verstehen. Im zweiten Teil werde ich mich ausführlich mit Arnold Gehlens Werk über Hypermoral beschäftigen.

Anmerkung: Bei meinen Ausführungen zu Nietzsches „Genealogie der Moral“ habe ich zur Auffrischung meiner Kenntnisse nicht die eigenen Aufzeichnungen verwendet, sondern bin versuchsweise den Argumentationslinien der Neuerscheinung Julien Rochedy: Nietzsche – der Zeitgemäße, Jungeuropa-Verlag, Dresden 2022, gefolgt. Ohne einer Rezension vorgreifen zu wollen, muss ich sagen, dass zumindest der betreffende Abschnitt des Buches, das beim Sturmzeichen-Versand bestellt werden kann, hervorragend geschrieben und auch für Laien gut verständlich ist.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #30

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