Licht bei der Nacht – Vor fünf Jahren schloss die letzte Zeche im Ruhrgebiet

Alle Bilder in diesem Beitrag entstanden bei unserem Besuch auf Zeche Zollverein im November 2019

Steinkohle – über Jahrhunderte war sie für unser Volk die zentrale Energieressource und der wichtigste Rohstoff, lange vor dem Siegeszug von Öl und Gas. Im Ruhrgebiet, wo zeitweise über 500.000 Menschen im Bergbau malochten und pro Jahr über 100 Millionen Tonnen Steinkohle förderten, spricht man nicht umsonst vom „Ruhrpott“ oder „Kohlenpott“, wo die Menschen nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich „auf Kohle geboren“ sind. Vor fünf Jahren, am 21. Dezember 2018, wurde in der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop das letzte Stück Kohle aus der Erde geholt, was zugleich das Ende des Steinkohle-Bergbaus in Deutschland markierte. Einige der alten Zechengebäude wurden zu „Industriedenkmälern“ erhoben und dienen heute als Museum oder als Location für Veranstaltungen aller Art – wie die Zeche Zollverein in Essen.

Wir sind „mitten im Revier“ an diesem nebelverhangenen, tristen Dienstagnachmittag Ende November, als uns das Navigationssystem auf einen riesigen Parkplatz an der Fritz-Schupp-Allee im nordöstlichen Essener Stadtteil Stoppenberg lotst. Dafür, dass der Parkplatz so riesig ist, sind hier allerdings nur wenige Autos geparkt. Ein erstes Anzeichen dafür, dass wir an einem Ort sind, der seine besten und produktivsten Zeiten lange hinter sich hat. Vor uns erhebt sich bereits der 55 Meter hohe „Doppelbock“ von Schacht 12, auch genannt der „Eiffelturm des Ruhrgebiets“. Das Fördergerüst ist nicht nur das Wahrzeichen der Zeche Zollverein, sondern auch der Stadt Essen und des gesamten Ruhrgebiets. 135 Jahre lang, von 1851 bis 1986, wurde hier im Untertagebau Steinkohle gefördert. Heute beherbergt das Areal mehrere Museen, Ateliers, Geschäfte und Veranstaltungsflächen, zudem ist es das weltweit einzige ehemalige Zechengelände, das auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes verzeichnet ist.

Ruhrbergbau: Von den Anfängen bis zur Industriellen Revolution

Doch wie hat eigentlich alles angefangen mit dem Bergbau im Ruhrgebiet? – In einem Millionen Jahre andauernden Prozess der sogenannten „Inkohlung“ pflanzlichen Materials wurden Moore durch Sedimente überschichtet, woraus das Material entstand, das wir heute „Kohle“ nennen. Bereits im Mittelalter kohlten Bauern, anfänglich vornehmlich für den Eigenbedarf, indem die Kohle aus einfachen Grabelöchern, den sogenannten „Pingen“, abgebaut wurde. Die Anfänge der systematischen Steinkohle-Förderung im Ruhrgebiet wurden wahrscheinlich im Bochumer und Hattinger Raum gemacht, doch auch hier wurde um 1750 die Steinkohle fast ausschließlich zum Heizen verwendet. Im Jahr 1804 gab es im Ruhrgebiet bereits 229 Zechen mit einer Gesamtjahresförderung von 380.000 Tonnen.

Die Erfindung der Dampfmaschine sorgte auch im Bereich des Bergbaus für eine Revolutionierung der Fördermöglichkeiten. Die Industrialisierung erlaubte es, große Mengen der schweren Kohle ans Tageslicht zu befördern und legte so den Grundstein für den späteren Förderboom. Im Jahr 1809 wurde auf der Zeche Vereinigte Sälzer & Neuack in Essen erstmals eine Dampfmaschine für die Kohlenförderung eingesetzt, im Jahr 1816 wurde hier auch die erste Kokerei in Betrieb genommen. In der Kokerei werden aus der Steinkohle mithilfe eines Destillationsverfahrens Kokskohle und Rohgas erzeugt. Die Kokskohle wiederum wird benötigt, damit in den Hochöfen der Hüttenwerke Eisenerz zunächst zu Roheisen und dann zu Stahl weiterverarbeitet werden kann.

Hierdurch wurde auch der Grundstein für die spätere Ansiedlung großer Stahlwerke im Ruhrgebiet gelegt – beispielsweise Hoesch (Dortmund) und Krupp (Essen) –, die den Ruhrgebiets-Mythos von „Kohle und Stahl“ begründeten. Da erst die Kohle der umfassenden Industrialisierung den Weg ebnete, kommt Franz-Josef Brüggemeier, Professor für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte an der Universität Freiburg, zu folgendem Ergebnis: „Kein anderer Rohstoff hat die jüngere Geschichte Europas so geprägt wie die Steinkohle. (…) Ohne die Kohle hätte es die Industrialisierung in Europa nicht gegeben. Und ohne die Kohle wäre das Ruhrgebiet nicht zum wichtigsten Industrierevier Europas aufgestiegen.“

Prägend für das Ruhrgebiet waren vor allem die folgenden Jahrzehnte, als die ersten Großzechen entstanden, die tausende Arbeiter beschäftigten und mit den neusten Gerätschaften hunderte Meter in die Erde eindrangen – das Zeitalter der Tiefbauzechen war angebrochen. So entstand – parallel zum Ausbau des Eisenbahnnetzes – im Ruhrgebiet allmählich aus einer unsystematischen Ansammlung weniger Dörfer und kleiner Städte das größte Industrierevier Deutschlands. Als Antwort auf die nun eintretende Bevölkerungsexplosion, welche durch die Einwanderung der später als „Ruhrpolen“ bezeichneten Arbeiter aus Osteuropa zusätzlich verschärft wurde, wurde nun damit begonnen, zecheneigene Wohnungen und Arbeitersiedlungen anzulegen. Noch heute findet man in jeder größeren Stadt des Ruhrgebiets solche ehemaligen „Zechensiedlungen“.

Die Goldenen Jahre des Ruhrbergbaus

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Kraftwerke gebaut, die aus Kohle Strom erzeugten. So eroberte die Kohle schließlich beinahe alle industriellen und häuslichen Bereiche, in denen Energie benötigt wurde. Um das Jahr 1885 herum zählte man im Revier bereits über 100.000 Bergleute, ausschließlich Männer, die mit ihrer harten, schmutzigen und gesundheitsschädlichen Arbeit unter Tage mehr schlecht als recht ihre Familien durchbrachten. Die harten Arbeitsbedingungen und die schlechten Entlohnungen führten zum ersten großangelegten Bergarbeiterstreik 1889, der in die Gründung verschiedener Bergarbeitergewerkschaften mündete. Zusätzlich zu den Eisenbahnen wurden nun auch Kanalnetze wie der Dortmund-Ems-Kanal und der Rhein-Herne-Kanal angelegt, die zum Kohletransport genutzt wurden. Im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ereigneten sich auf den Zechen immer wieder schlimme Unfälle. Die Hauptursachen waren Explosionen durch Kohlenstaub, das Einstürzen von Schächten oder die fahrlässige Verwendung von Sprengstoff. Das schwerste Unglück dieser Zeit ereignete sich am 12. November 1908 auf der Zeche Radbod II in Hamm, als eine Schlagwetterexplosion, die vermutlich durch eine defekte Benzinlampe ausgelöst wurde, 348 Todesopfer forderte.

Ungeachtet dieser schweren Unfälle wurden im Zuge des technischen Fortschritts immer massivere Schächte und größere Streckennetze angelegt, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden zudem erstmals elektrische Fördermaschinen eingesetzt. Entlang von Ruhr um Emscher war mittlerweile das größte Bergbaurevier Europas entstanden: 1913 arbeiteten im Ruhrpott mehr als 400.000 Bergleute, die Fördermenge knackte die 100-Millionen-Marke; hinzukamen chemische Fabriken und die bereits erwähnten Werke zur Eisen- und Stahlerzeugung. Der enorme wirtschaftliche Fortschritt und die Anhebung des Lebensstandards für breite Massen des Volkes waren allerdings nur zum Preis enormer Belastungen für Mensch und Umwelt möglich, die sogenannte „Staublunge“ führte zu einer drastisch sinkenden Lebenserwartung.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges zogen viele Bergleute ins Felde, dennoch musste der Grubenbetrieb zur Produktion von Waffen und Sprengstoff sowie zum Transport von Soldaten und Rüstungsgütern aufrechterhalten werden. In den dunklen Weimarer Jahren war der Bergbau geprägt von Reparationsforderungen infolge des Versailler Diktats, Inflation, Weltwirtschaftskrise sowie vor allem durch die französische Ruhrbesetzung 1923-25, währenddessen es zu einem gezielten Rückgang der Fördermenge kam. Erst in der NS-Zeit gab es neue Innovationen, als damit begonnen wurde, Kohle zu verflüssigen, um in Hydrierwerken synthetisches Benzin herzustellen. Im Wege der nationalsozialistischen Autarkiebestrebungen wurden Kohle und Kohleprodukte unter anderem zur Herstellung von Gummi, synthetischem Kautschuk und anderen synthetischen Ersatzstoffen verwendet. In der linkslastigen „Wikipedia“-Enzyklopädie heißt es unter dem Stichwort „Deutsches synthetisches Benzin“ folgendermaßen: „In Westdeutschland wurde nach dem Krieg die Kohleverflüssigung wegen der konkurrenzlos niedrigen Erdölpreise nicht fortgeführt.“ – Dies wiederum ist eine selbst für Wikipedia-Verhältnisse schamlose Lüge, wurde doch in Wahrheit die wirtschaftliche Innovation der Kohleverflüssigung nach dem Krieg von den alliierten Besatzungsmächten in Deutschland schlichtweg verboten.

Als der Ruhrpott noch schwarz-weiß war

Unter alliierter Direktive ging es mit dem Wiederaufbau des Ruhrbergbaus nur sehr langsam voran, eine spürbare Erholung war erst in den 50er-Jahren zu verzeichnen. Bereits 1956 förderten eine halbe Million Menschen im Ruhrgebiet wieder mehr als 120 Millionen Tonnen Steinkohle. Doch der neue Förderboom der Wirtschaftswunderjahre währte nicht lange, bereits Ende der 50er-Jahre stand dem Ruhrgebiet die „Kohlekrise“ ins Haus: Der Absatz an heimischer Kohle ging spürbar zurück, stattdessen wurde vermehrt Billigkohle aus dem Ausland importiert. Mit der Verwendung von Erdöl als Treibstoff und als Heizöl erwuchs der Kohle zudem ein mächtiger Gegner, später kamen noch Gas und Atomkraft hinzu.

Die Schließung der Bochumer Zeche Lieselotte am 30. September 1958 markierte den Beginn des langen Zechensterbens im Ruhrgebiet, doch schnell regte sich Widerstand: Am 26. September 1959 organisierte die IG Bergbau den „Marsch nach Bonn“. 60.000 Bergarbeiter demonstrierten in der damaligen Bundeshauptstadt gegen die Zechenschließungen, es war die damals größte Protestdemonstration in der Geschichte der jungen Bundesrepublik. Während weitere unrentable Zechen schließen mussten, wurden die nach wie vor produktiven Schachtanlagen modernisiert, wirtschaftliche Rationalisierungsmaßnahmen führten zu einer spürbaren Erhöhung der durchschnittlichen Schichtfördermenge je Bergmann. Wer einmal in die „gute, alte Zeit“ des Ruhrbergbaus eintauchen möchte, sollte sich bei YouTube die Dokumentation „Als der Ruhrpott noch schwarz-weiß war“ ansehen, ein Zusammenschnitt von Original-Aufnahmen aus den 50er- und 60er-Jahren.

Im November 1968 wurde unter Beteiligung von 80 % der bundesdeutschen Steinkohlebergwerke die „Ruhrkohle AG“ (RAG) als Konsolidierungsunternehmen gegründet. Mit der Einführung des „Kohlepfennigs“ auf den Stromtarif 1974 begann die Zeit der direkten Subventionierung der Ruhrkohle, in der Folgezeit konnte der zusehends unrentabler werdende Bergbau nur noch durch starke Subventionen aufrechterhalten werden. Mit dem „Kohlekompromiss“ 1997, ausgehandelt zwischen Bundesregierung, Landesregierungen, RAG und Gewerkschaft, wurden die Subventionen und die Fördermengen deutlich begrenzt.

Ende des Ruhrbergbaus – für immer?

Mit Beschluss der nordrhein-westfälischen Landesregierung unter Jürgen Rüttgers (CDU) wurde das Aus der Kohle-Subventionen bis Ende 2018 und damit faktisch das Ende des Ruhrbergbaus beschlossen. Mit der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop schloss am 21. Dezember 2018 das letzte Steinkohlebergwerk Deutschlands seine Pforten. Aus diesem Anlass gingen überall in Deutschland Grafiken mit der Losung „Licht bei der Nacht“ oder andere Zeilen aus dem „Steigerlied“ durch die sozialen Netzwerke. Jene Bergmänner des Ruhrgebiets, die nicht in den Ruhestand oder in den Vorruhestand entlassen wurden, arbeiten heute in ganz unterschiedlichen Branchen, beispielsweise bei Berufsfeuerwehren, in Flughäfen oder bei der Bahn.

Zurück nach Essen: Die ehemalige Halle 12 der Zeche Zollverein wird heute als Veranstaltungsfläche für Konzerte und Kabarett genutzt, außerdem befindet sich dort eine Kulturwerkstatt, verschiedene Geschäfte und – wie könnte es auch anders sein – eine Currywurstbude. Im ehemaligen Kesselhaus ist heute ein Designmuseum beheimatet, wo zwischen den alten Maschinen Alltagsgegenstände ausgestellt werden. Kann man sich angucken, muss man aber nicht. Deutlich interessanter ist das „Ruhr Museum“ in der ehemaligen Kohlenwäsche. Bereits die 24 Meter hohe Rolltreppe zum Eingangsbereich ist – besonders bei Dunkelheit – ein echter Blickfang. Vom Eingangsbereich aus noch eine Ebene höher, kann man sich den 20-minütigen Panoramafilm „RUHR360°“ anschauen, bevor man von der Aussichtsplattform auf dem Dach der Kohlenwäsche einen atemberaubenden Blick auf die Städte Essen und Gelsenkirchen sowie auf verschiedene Industriefabriken genießen kann. Die Dauerausstellung über die Natur- und Kulturgeschichte des Ruhrgebiets beginnt auf der Ebene des Eingangsbereichs mit einer Foto- und Objektsammlung zur Gegenwart und jüngeren Geschichte der Region, anschließend kann man mit jeder Ebene, die man nach unten steigt, tiefer in die Geschichte des Ruhrgebiets eintauchen. – Wenn auch Ihr mal dem Ruhr Museum einen Besuch abstatten wollt, nehmt Euch genügend Zeit mit, denn es lohnt sich wirklich!

Und wie ist es heute um die Steinkohle bestellt, fünf Jahre nach dem Ende des Bergbaus in Deutschland? – Auch heute noch wird in deutschen Kraftwerken aus dem Ausland importierte Steinkohle verstromt, die um die Hälfte billiger ist, als würde man nach wie vor in Deutschland produzieren. Neben den niedrigeren Lohnkosten im Ausland liegt das auch daran, dass die Flöze in Russland oder in Südamerika ergiebiger sind und die Kohle dort nicht so tief unten in der Erde steckt. Im Jahr 2022 wurden immerhin noch 13 % des Stroms in Deutschland von Steinkohlekraftwerken erzeugt, die Tendenz ist seit einigen Jahren stabil.

Allerdings liegt unter unserem Heimatboden noch genügend Kohle, um die Energieversorgung in Deutschland über Jahrzehnte hinweg gewährleisten zu können. Die Wirtschaftspolitiker eines kommenden, souveränen deutschen Volksstaates werden es in ihre Überlegungen einzubeziehen haben, ob im Rahmen eines aus fossilen und regenerativen Brennstoffen bestehenden Energiemixes auch wieder auf die gute, alte deutsche Steinkohle zurückgegriffen werden kann. Wer kann es schon prophezeien, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass in einigen Jahrzehnten in einem freien deutschen Staat wieder deutsche Bergmänner in hochmodernen und effizienten Bergwerken das Grubenlicht bei der Nacht anzünden werden.

Erstveröffentlichung in N.S. Heute #19

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