Rudolf Gerke, Carl Hofmann, Ewald Kley – Die Toten der ersten NPD-Wahlkämpfe

Die maßgeblich aus der Deutschen Reichspartei (DRP) hervorgegangene, im November 1964 ins Leben gerufene Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) erlebte gleich nach ihrer Gründung eine Erfolgswelle. Auf respektable 2,0 % bei der Bundestagswahl 1965 folgten im Jahr darauf Landtagseinzüge in Hessen und Bayern. 1967 wurde die seinerzeit rechts-bürgerlich geprägte Partei auch in die Landesparlamente von Bremen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gewählt. Den bis heute größten Erfolg auf Landesebene konnte die NPD bei der baden-württembergischen Landtagswahl im April 1968 einfahren, wo die Nationaldemokraten auf 9,8 % der Stimmen kamen. Freund wie Feind rechneten bei der Bundestagswahl 1969 fest mit einem Einzug der NPD – der mit 4,3 % allerdings überraschend misslang und die NPD in ihre erste Krise stürzte.

Ein wichtiger Faktor der Wahlkämpfe der 1960er-Jahre waren Großkundgebungen in angemieteten Hallen oder auf öffentlichen Plätzen, zu denen oft mehrere tausend Menschen strömten. Als charismatisches Aushängeschild bei den NPD-Großkundgebungen galt Adolf von Thadden, der ab November 1967 auch das Amt des Bundesvorsitzenden bekleidete – und nach dessen Tod 1996 sich herausstellte, dass er Informant des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 war. Von den Großveranstaltungen wurde natürlich auch linksextremes Gewaltklientel angezogen, das damals wie heute von den regimenahen Massenmedien gehätschelt wurde. Nach mehreren gewalttätigen Attacken auf NPD-Veranstaltungen reagierte die NPD mit der Einrichtung eines eigenen Ordnerdienstes (OD), um linksextreme Störer in die Schranken zu weisen. Was heute kaum bekannt ist – und auch seinerzeit von der NPD nicht an die große Glocke gehängt wurde –, ist der Umstand, dass mehrere Menschen die linksextremistischen Attacken mit ihrem Leben bezahlten.

Doch aus welchem Grund wurden die Opfer des kommunistischen Mordgesindels damals nicht groß öffentlich thematisiert, in manchen Fällen sogar regelrecht unter den Teppich gekehrt? NPD-Urgestein Manfred Aengenvoort aus Oberhausen vermutet hinter der damaligen Verschleierungstaktik die Intention, dass die Partei ihre Anhänger und Sympathisanten nicht beunruhigen wollte. Offensichtlich befürchtete der damalige Bundesvorstand – sicherlich nicht zu Unrecht –, angesichts von mehreren Toten könnten sich potentielle Besucher von der Teilnahme an NPD-Veranstaltungen abgeschreckt fühlen. Aufgrund des langen Zeitablaufs und der seinerzeit schon recht dürren Informationslage ist es sehr schwierig, die damaligen Vorfälle zuverlässig zu rekonstruieren. Mithilfe von alten Zeitungsartikeln und Gesprächen mit Zeitzeugen ist es uns gelungen, mit Rudolf Gerke und Carl Hofmann zwei Namen und deren Schicksal zu ermitteln. Außerdem beleuchten wir den – fehlgeschlagenen – Mordanschlag auf Hanfried Bauch und den Tod des Fotojournalisten Ewald Kley.

Rudolf Gerke – gestorben am 27. November 1967 in Duisburg

Der frischgewählte NPD-Bundesvorsitzende Adolf von Thadden spricht am 27. November 1967 in der Mercatorhalle in Duisburg. Im Publikum sitzt der 54-jährige Wirtschaftsprüfer Rudolf Gerke. Am Rande der Veranstaltung kommt es zu einem Angriff eines roten Rollkommandos auf die Gäste der NPD-Veranstaltung, infolge dessen Gerke einen Herzinfarkt erleidet und auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt. Besonders perfide: Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ versucht zwei Tage nach dem Vorfall in dreister Verdrehung der Tatsachen, Gerke als Opfer eines „Schlägertrupps“ der NPD hinzustellen.

Gesichert ist, dass Gerke kein Mitglied der NPD war. Es liegt nahe, dass Gerke mit der Partei sympathisierte. Allerdings kamen zu den damaligen Großkundgebungen auch zahlreiche „neutrale“ Bürger, sodass nach unseren Recherchen nicht abschließend geklärt werden konnte, ob Gerke tatsächlich NPD-Anhänger war oder nicht.

Carl Hofmann – gestorben am 31. Januar 1968 in München

Die „Demokratische Aktion Januar 1968“, ein Zusammenschluss linksradikaler Organisationen und Publizisten, veranstaltet am 31. Januar 1968 einen Kongress im Deutschen Museum in München. Anlässlich des 35. Jahrestages der nationalsozialistischen Machtübernahme plant man eine Demonstration gegen die „braune Gefahr“, außerdem will man vorgeblich ein Zeichen für „Freiheit und Demokratie“ setzen. Die NPD, seit zwei Jahren im bayerischen Landtag vertreten, hatte ihre Anhänger dazu aufgerufen, ebenfalls an dem Kongress teilzunehmen und ihre Meinung gegen die kommunistische Gefahr kundzutun. Schließlich mischen sich unter die 3.000 Teilnehmer im restlos überfüllten Kongresssaal etwa 400 NPD-Anhänger und andere Nationalisten. Die Polizei ist nur spärlich präsent – Bambule ist also vorprogrammiert.

Die ohnehin aufgeladene Stimmung wird bereits durch den ersten Redner angeheizt, der angekündigt, man werde keine Störungen dulden und von seinem Hausrecht „rücksichtslos“ Gebrauch machen. Für dieses „rücksichtslose“ Durchsetzen des Hausrechts hatten sich die Veranstalter jugendliche, linksradikale Schlägertrupps organisiert. Schon nach wenigen Minuten wird das Programm unterbrochen und die „Ordner“ angewiesen, kritische Zwischenrufer gewaltsam aus dem Saal zu entfernen. Nach der Pause tönt der Krawall-Rentner und Publizist Fran Arnau: „Ich mit meinen 74 Jahren habe soeben eigenhändig einen NPD-Mann hinausgeworfen. Das Gesindel soll wissen, dass wir zurückschlagen werden.“

Etwa eine halbe Stunde vor Ende der Veranstaltung macht ein älterer Herr seinem Ärger über die kommunistischen Vaterlandsverräter lautstark Luft. Bei diesem Herrn handelt es sich um Carl Hofmann aus München-Gräfeling, 56 Jahre alt, Frontkämpfer des Zweiten Weltkriegs, pensionierter Papiergroßhändler, seit dem 1. Mai 1966 Mitglied der NPD, Mitgliedsnummer 7439. Nach seinen Zwischenrufen wird Hofmann aufgefordert, den Saal zu verlassen. Widerspruchslos geht er zur Tür, ruft vom Eingang aus aber nochmals etwas in den Saal. Was dann passiert, beschreibt die NPD-Wochenzeitung „Deutsche Nachrichten“ vom 29.03.1968 folgendermaßen: „Carl Hofmann wurde von ‚Saalordnern‘ – unter denen Mitglieder der Karl-Marx-Gesellschaft und auch der frühere KP-Bezirksvorsitzende von München beobachtet wurden – aus dem Saal geprügelt, stürzte hin und wurde abermals zusammengeschlagen, bis er im Vorraum des Kongresssaales zusammenbrach und einem Herzkollaps erlag.“

Die Ärzte kämpfen vergebens um das Leben von Carl Hofmann. Er stirbt im Klinikum Rechts der Isar, während die Veranstaltung im Kongresssaal des Deutschen Museums ungehindert weitergeht und der Schauspieler Siegfried Lowitz den jüdisch-kommunistischen Schriftsteller Kurt Tucholsky zitiert: „Küsst die Faschisten, küsst die Faschisten, küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!“

In den Tagen nach der tödlichen Attacke verbreiten die Massenmedien unisono die Legende, Hofmann sei ohne jegliche Gewalteinwirkung gestorben und gewissermaßen selbst schuld an seinem Tod, da er sich trotz seines schwachen Herzens derart über die Veranstaltung aufgeregt habe. Doch die von Angehörigen des Toten veranlasste Obduktion des Leichnams bringt die Gewissheit: Die Gerichtsmediziner entdecken am Körper des Toten neun Stellen, an denen Hofmann von Schlägen getroffen wurde. Die Täter werden nie ermittelt.

Mordanschlag auf Hanfried Bauch am 27. Mai 1967

Am 27. Mai 1967 ereignet sich im Hannoveraner Stadtteil Anderten ein – aus Sicht des Täters missglückter – Mordanschlag auf die jungen NPD-Aktivisten Hanfried Bauch und Hans-Joachim Adler, damals 27 und 24 Jahre alt. Acht Tage vor der niedersächsischen Landtagswahl, bei der die NPD 7,0 % der Stimmen holen sollte, fahren Bauch und Adler mit einem VW-Transporter durch Hannover und hängen Werbeplakate für den Spitzenkandidaten Adolf von Thadden. Am Transporter prangt ein gut sichtbarer Aufkleber: „NPD – Jetzt auch hier“. Die nicht ortskundigen NPD-Aktivisten steigen aus dem Fahrzeug und beugen sich über eine Straßenkarte. Als sie aufschauen, blicken sie plötzlich in die Mündung einer Selbstladepistole Walther PPK vom Kaliber 7,65 mm.

Der Mann an der Pistole ist der 19-jährige Maschinenschlosser Jürgen Salmon. Der angetrunkene Waffennarr schreit die beiden NPD-Aktivisten an, laut einem „Spiegel“-Artikel soll er gerufen haben: „Wo wollt ihr hin, ihr Nazischweine? Hier wählt doch alles SPD. Wohl besser, ich niete euch um.“ Bauch und Adler lassen sich instinktiv auf den Boden fallen. Salmon, der zuvor in einer Kneipe einige Flaschen Bier geleert hatte, stolpert selbst zu Boden, fällt auf die Knie und schießt dabei sein ganzes Magazin leer. Es ist wohl dem Alkoholkonsum des Täters zu verdanken, dass von sechs Kugeln nur eine trifft: Nach der Schießorgie liegt Hanfried Bauch mit durchschossenem Oberschenkel am Straßenrand.

Im Gerichtsverfahren, das ein Jahr später vor dem Landgericht Hannover stattfindet, bemüht sich die Strafkammer, die politische Dimension des Vorfalls herunterzuspielen und verurteilt den Beinahe-Todesschützen lediglich zu vier Jahren Jugendstrafe wegen versuchten Totschlags.

Ewald Kley – gestorben am 16. November 1967

Ein Name, der bei Berichten über die ersten NPD-Wahlkämpfe hin und wieder auftaucht, ist der von Ewald Kley. Kley ist allerdings kein Blutzeuge, denn für den Fotojournalisten erfüllte sich gewissermaßen sein Berufsrisiko.

Mittwoch, 15. November 1967: Die NPD lädt zu einer Großkundgebung mit Adolf von Thadden in die Ulmer Donauhalle. Da die Stadt die Halle nicht freiwillig für die Nationaldemokraten hergeben wollte, gab es im Vorfeld ein juristisches Gezänk, das die NPD vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof in Mannheim letztinstanzlich für sich entscheiden konnte. Doch auch am Veranstaltungstag bleiben die Tore zur Donauhalle erst einmal verschlossen: Stadt und NPD feilschen um die Anerkennung der benötigten Versicherungspolicen und selbstschuldnerischen Bürgschaften, bis die Stadt am frühen Abend schließlich doch noch nachgibt und für die Veranstaltung grünes Licht erteilt.

Vor der Donauhalle haben sich bereits tausende Menschen versammelt, sowohl NPD-Anhänger als auch Gegendemonstranten, die von Gewerkschaften, Kirchen und linksradikalen Gruppierungen herangekarrt wurden. Als die Halle um 20.37 Uhr, eine gute halbe Stunde nach dem geplanten Veranstaltungsbeginn, endlich aufgeschlossen wird, spielen sich nach einem Bericht der „Schwäbischen Donau-Zeitung“ folgende Szenen ab: „Wie eine Riesenwoge schwappen die Wartenden über die Ordner und Polizisten (…) die Menge überrollt sie (…) in Minuten ist die Halle brechend voll.“

Mehr als 3.000 Menschen haben sich in die Donauhalle gequetscht – unmöglich, zu sagen, wer davon „rechts“ und wer „links“ ist. Adolf von Thadden wird von den Gegendemonstranten mit Pfiffen und Buh-Rufen empfangen, der poltert zurück gegen die linken „Brüllaffen“ und „Jüngelchen“. Bei Zwischenrufern greift der NPD-Saalschutz herzhaft dazwischen und befördert die Störer an die frische Luft. Die Polizei ist ebenfalls vor Ort, hält sich aber zurück. Im Saal geht eine selbstgebastelte Rauchbombe hoch, doch die Veranstaltung wird fortgesetzt. Nach der zweiten Rauchbombe fragt der Polizeiführer den Versammlungsleiter und örtlichen NPD-Kreisvorsitzenden, Horst Glöckner, ob er die Kundgebung nicht lieber beenden wolle, doch der lehnt ab. Die Polizei bleibt weiterhin passiv, sie befürchtet, bei einer Zwangsauflösung könne ein noch viel größeres Chaos entstehen. Schließlich beendet von Thadden die Kundgebung selbst mit den Worten: „Ich bin nicht bereit, meine Stimme in diesem Rauch länger zu ramponieren.“

Während ein Teil des Saals vom Rauch eingehüllt ist, lässt sich der beruflich anwesende Bildreporter Ewald Kley aus Ulm mit den Worten „Mir ist so schlecht“ von Helfern des Roten Kreuzes ins Krankenhaus bringen. Die Ärzte diagnostizieren Vergiftungserscheinungen, auch ein Luftröhrenschnitt kann ihn nicht mehr retten. Der 46-jährige Fotojournalist stirbt am nächsten Tag im Krankenhaus.

Hinweise führen die Ermittler zur links-avantgardistischen „Hochschule für Gestaltung“, die dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) nahesteht. Doch dort stößt die Polizei auf eine Mauer eisigen Schweigens. Bis heute gibt es keine Erkenntnisse darüber, wer die Rauchbombe hochgehen ließ, die Ewald Kley das Leben kostete.

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